Kongress der Deutschen Fachpresse 2015

Zwischen Spiel und Planung

20. Mai 2015
von Börsenblatt
Revolution oder Evolution? Wie vollzieht sich der Kulturwandel im Medienunternehmen? Das war Thema einer Podiumsdiskussion am Nachmittag des Fachpressekongresses mit Amos Kotte (Deutscher Landwirtschaftsverlag), Verena Adam von Strenge (plista), Claudia Michalski (Verlagsgruppe Handelsblatt) und Stefan Rühling (Vogel Business Media).

Stoff für die Diskussion lieferten nicht nur die Präsentationen des Vormittags, sondern auch ein Impulsvortrag von Günter Schürger (Vogel Business Media), der das Zukunftsmanagement am Beispiel des eigenen Medienhauses skizzierte. Er empfahl weniger Revolution als mehr Evolution, für die er ein paar Regeln aufstellte: die strategischen Aktivitäten vor dem Tagesgeschäft zu schützen, das Tagesgeschäft zu stärken, um Mittel für Innovationen zu gewinnen, strategisch relevante Kompetenzen der Mitarbeiter stärken, die Zusammenarbeit in einer projektorientierten Organisation zu fördern. Es sei ebenso wichtig, die Strukturen zu verändern wie eine Kultur zu schaffen, die den Boden für eine Veränderungskultur bereitet.

Der Moderator Torsten Casimir, Chefredakteur des Börsenblatts, fragte anschließend in die Runde, wie sich Unternehmen für kulturelle Veränderungen öffnen können. Amos Kotte kam 2007 zum Deutschen Landwirtschaftsverlag, um Vieles zu verändern – vor allem die Kultur der Sicherheit und Fehlervermeidung. Seither hat sich viel getan, auch auf der Führungsebene. Die Bereitschaft, Dinge auszuprobieren, ist gewachsen.

Kultur des Fehler-machen-könnens

Bei der Verlagsgruppe Handelsblatt lägen die Dinge anders, dort sei ja jetzt eine "Naturgewalt" (in Gestalt von Miriam Meckel) eingezogen, fragte Torsten Casimir Claudia Michalski. Ja, beim Handelsblatt und bei der Wirtschaftswoche gehe es sehr dynamisch zu, bestätigte Michalski, bei Fachmedien hingegen erlebe man einen stilleren Wandel: Hier sei die Kultur des Ausprobierens und Fehlermachens schwerer in die Köpfe hineinzubekommen. Wichtig sei es, kleines Scheitern ins Positive zu drehen. Doch die sprichwörtlich gewordene "German Angst" sei ein Problem.

"Mehr Lockerheit" im Umgang mit den digitalen Herausforderungen attestiert auch Stefan Rühling seinem Haus. Angst sei nicht nur ein Treiber, sondern eben auch ein Blockierer.

Der Kulturwandel bei plista, einem jungen Unternehmen für Digitalwerbung, hat ganz andere Ausmaße angenommen als bei Vogel Business Media – wovon man sich kurz zuvor bei der Präsentation überzeugen konnte. Die Teamaktivitäten (Reisen, Mitarbeiterfrühstück etc.) nehmen dort so viel Raum ein, dass Moderator Torsten Casimir ein gewisses Unbehagen befiel und er die Human-Resources-Chefin Verena Adam von Strenge unverblümt fragte, ob es denn auch eine plista-freie Zone gäbe? Oder ob für den Nachwuchs der Mitarbeiter schon der plista-gebrandete Strampler bereit läge?

Natürlich, verteidigte sich die Angesprochene, werde auch akzeptiert, wer nicht mit auf die Teamreise gehe. Und das Familienleben fände auch nicht im Büro statt.

Selbsterzählung eines Unternehmens

Doch Casimir ließ nicht locker und konterte mit dem Luhmann-Zitat, dass "alles Beteuern und Beschwichtigen nur den Verdacht regeneriert". Subkutan hätte er doch das Gefühl, es wäre für den Mitarbeiter besser mitzufahren. Dave Eggers' "Circle", der hier einen Moment über dem Podium aufschien, wich dann doch einer von Schuldgefühlen freien Betrachtung des Employer Branding, zu deutsch, der Selbsterzählung eines Unternehmens. Statt ein "Wir über uns" zu inszenieren spreche vor allem der Erfolg für ein Unternehmen, meinte Amos Kotte. Claudia Michalski wiederum kann aus ihrer Perspektive den Wert der Marke unterstreichen: "Marken können eine besondere Stimmung erzeugen und haben Strahlkraft", wie sie in Gesprächen immer wieder höre.

Zwei Tempi

Auf die unterschiedlichen Geschwindigkeiten, in denen sich Veränderungen im Unternehmen vollziehen, lenkte Torsten Casimir das weitere Gespräch. Christian Blümelhubers Appell, schneller zu sein, weil sich die Welt ständig beschleunige, steht hier gegen Derk Haanks gelassene Haltung "Wir haben viel Zeit". Mehr jedenfalls als uns manche Beschleunigungstheoretiker glauben machen. Für Stefan Rühling gibt es kein einfaches Entweder-Oder: "Wir brauchen eine Mischung aus Gründlichkeit und Tempo, die man für jedes Geschäftsfeld individuell entwickeln muss." Claudia Michalski sah das ähnlich: "Es gibt den mittelfristigen Bogen und gleichzeitig 'quick wins'". Wichtig sei es, Freiraum für Unvorhergesehenes zu schaffen und sich Zeit für strategische Überlegungen zu nehmen. Die fehle häufig im Tagesgeschäft.

Kein Schwarz oder Weiß, sondern ein Oszillieren zwischen Geschwindigkeit und Gründlichkeit, zwischen Begeisterung und Ernüchterung, zwischen Spiel und Planung – das ist es wohl, was die kulturelle Veränderung heute ausmacht.

Hier geht es zum Programm des 2. Kongress-Tags.