Kontroverse um Abo-Prämie der "Zeit"

Kindle des Anstoßes

20. Juli 2015
von Börsenblatt
In einem offenen Brief an die Redaktion der "Zeit" rügt die Buchhändlergenossenschaft eBuch eine Marketing-Aktion der "Zeit" zugunsten Amazons. Stefanie Hauer, Verlagsleiterin des Zeit Verlags, nimmt dazu Stellung.

Die Buchhändlergenossenschaft eBuch (mehr als 600 Mitglieder) wirft der Wochenzeitung "Die Zeit" Doppelmoral vor: In einem offenen, von Vorstand Michael Pohl unterzeichneten Brief an die "Zeit"-Redaktion rügt eBuch die "peinliche Diskrepanz zwischen Worten und Taten".

Auslöser ist eine Anzeige für die Neukundenwerbung, in der für jeden geworbenen Abonnenten ein Kindle-Lesegerät von Amazon als Prämie ausgesetzt wird. Im Gegensatz zur Marketing-Abteilung der "Zeit", die keine Berührungsängste mit Amazon zu kennen scheint, habe laut eBuch die Redaktion einen Amazon-kritischen Artikel geschrieben ("Amazon. Die entscheidende Schlacht" in der Ausgabe vom 25. Juli), in dem die Monopolstrategie des Online-Händlers im US-Markt seziert werde. Der Artikel kommt zu dem Schluss: "Wenn es gelänge, den Durchmarsch von Amazon in Deutschland zu bremsen, hätte das Signalwirkung für ganz Europa. Es wäre der erste große Gegenschlag: Der Konzern würde den Nimbus des Unaufhaltsamen verlieren."

"Zeit"-Verlagsleiterin Stefanie Hauer setzt sich mit dem Vorwurf der Genossenschaft eBuch wie folgt auseinander:
"Wir alle müssen lernen, mit der Dominanz von Amazon umzugehen. Die heutige Nachricht, dass der Amazon-Gründer eine der einflussreichsten Zeitungen der USA, die Washington Post, gekauft hat, ist ein weiterer Meilenstein in der rasanten Entwicklung unserer Märkte.
Gerne kommentiere ich die Kritik der Buchgenossenschaft eBuch. Wie unsere Leser Bücher oder auch die ZEIT lesen, können wir ihnen nicht vorschreiben. Wir bieten als ZEIT-Verlag alle Ausspielkanäle an, sei es Print oder die digitale Form über den Kindle oder das iPad. Daher ist es auch konsequent, dass wir Lesegeräte wie den Kindle als Aboprämie unter vielen weiteren einsetzen. Uns daraus einen Vorwurf zu machen, ist unverhältnismäßig. Der Verbandschef Michael Pohl und seine über 600 Mitglieder sowie die Buchbranche insgesamt wissen, wie groß das Engagement der ZEIT ist für Literatur und das zugehörige Geschäft. Die ZEIT-Redaktion begeistert jede Woche Millionen Menschen für neue Bücher und macht so Lust auf einen Besuch in der Buchhandlung. Auf Verlagsseite gibt es seit Jahrzehnten eine enge Zusammenarbeit mit den Buchhändlern im gesamten deutschsprachigen Raum. Wir haben hier sowohl inhaltlich als auch finanziell viel investiert. Die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck, die am ZEIT-Verlag beteiligt ist, hält übrigens Anteile an der Firma buecher.de, die im Online-Markt gegen Amazon positioniert ist. Und vor allem die amerikanischen Buchverlage, die zu der Gruppe gehören, sind bekannt für ihren Kampf für faire Bedingungen im Buchhandel."