Kostenloser Lieferservice bei den meisten Buchhandlungen

Hauslieferung als gezielter Werbeeffekt

1. August 2013
von Börsenblatt
In einem 10-Kilometer-Radius rund um Thalia-Buchhandlungen bietet der Filialist in vier Städten für 9,90 Euro die Zustellung innerhalb weniger Stunden über einen Kurierdienst. boersenblatt.net hat bei anderen Buchhandlungen nachgefragt, wie sie ihren Kunden Einkäufe direkt ins Haus liefern.

"Bis 18 Uhr bestellt, um 8 Uhr das Buch auf dem Tisch und bei dringendem Bedarf bringen wir vorrätige Bücher auch sofort – und das alles ohne Extrakosten. Damit sind wir durchaus konkurrenzfähig gegenüber Amazon", meint Arno Juhre, Inhaber der Nibelungen Buchhandlung in Frankfurt. Den morgendlichen Lieferservice hat er fest ins Tagesgeschäft integriert. Geöffnet wird erst anschließend, um 11 Uhr. Der Verkauf samt Zustellung sei das A und O und bringe mehr Umsatz als das Ladengeschäft, so Juhre. Vor allem bei Kanzleien, Ingenieursbüros und anderen Firmen klopft er morgens mit der bestellten Ware an. "Sie sind die Umsatzträger, während Privatkunden prozentual zwar relativ wenig ausmachen, aber durchaus ein lohnender Nebeneffekt sind", erläutert Juhre.

So führt er auch immer einmal wieder Werbeaktionen für die kostenlose Buchlieferung in der Umgebung seiner Buchhandlung durch, vornehmlich in der Vorweihnachtszeit. "Am effektivsten ist Briefkastenwerbung“, hat er festgestellt, „und die Werbekosten sind ruckzuck wieder drin.“ Unabhängig vom Einkaufswert macht er sich auf den Weg, private Kunden beliefert er nach Terminabsprache und fährt, wenn es sein muss, auch zwischen 19 und 20 Uhr noch einmal los. "Auch darin sind wir Postzustellern überlegen", hebt er hervor. Seinen Lieferservice versteht er in erster Line als Möglichkeit, Kunden einen Mehrwert anzubieten. "Es geht darum, sich Sympathien zu verschaffen. Man darf da nicht kleinlich sein. Deshalb gibt es bei uns auch Express-Sendungen kostenlos und nicht für 9,90 Euro."

 

Eine fleißige Biene unterstützt Berthold Freitag bei seiner täglichen Arbeit: Mit dem kleinen roten Flitzer, einer Piaggo Ape, ist der Buchhändler von Montag bis Samstag in Zwickau unterwegs, um Büchersendungen an seine Kunden auszuliefern. Im Stadtgebiet kostenfrei, außerhalb ab einen Bestellwert von 20 Euro. Die Idee zu dem besonderen Gefährt kam ihm vor rund einem Jahr. "Die Kunden sollten sich auf den Einkauf in der Region besinnen. Der Lieferservice im PKW war bis dahin kaum jemandem aufgefallen, deshalb wollten wir etwas, das ins Auge sticht. Die italienische Ape – auf Deutsch: Biene - hat eingeschlagen wie eine Bombe: Wir waren auf Seite 1 der Regionalzeitung und ich werde oft angesprochen, wenn ich ausliefere, und habe immer Flyer und Visitenkarten dabei", freut sich der Inhaber der Buchhandlung Marx in Zwickau über den großen Erfolg. Die Lieferungen an Privatkunden haben um 15 bis 20 Prozent zugenommen. Der kostenlose angebotene Service rechne sich, meint Freitag, weil er einerseits mehr Umsatz über die Zunahme an Bestellungen erwirtschafte, andererseits würde er seine Touren möglichst so legen, dass er private Haushalte gemeinsam mit Behörden und Bibliotheken anfahre, die er grundsätzlich beliefere. Auch die Express-Lieferung von vorrätigen Büchern und der zunehmend nachgefragte Feierabend-Service sind kostenfrei. Nach Absprache kommt der Buchhändler bis 20 Uhr bis an die Haustür – "danach habe ich dann auch mal Feierabend", sagt Freitag, denn einen Haken hat die Sache: Die Ape ist ein "gewöhnungsbedürftiges Gefährt", das bislang nur der Buchhändler persönlich so richtig im Griff hat.

 

Regelmäßig steigt Hans Lehmann vormittags in den Wagen der Buchhandlung Bücherwurm in Borken und bringt den Kunden ihre bestellten Bücher ins Haus. 50 bis 60 Lieferungen gehen so pro Woche direkt an die Kunden raus. "Wir bewerben das Angebot nicht, aber es spricht sich herum. Die Nachfrage steigt", sagt Inhaberin Sonja Lehmann. Die kostenlose Zustellung unabhängig vom Einkaufswert versteht die Buchhändlerin vor allem als Serviceangebot für Stammkunden. Dass sie auf ihren Vater als zuverlässigen Bücherboten setzen kann, einem "rüstigen Rentner", kommt ihr dabei zugute. "Ich sehe das Ganze unter dem Werbeeffekt: Der Service kommt gut an, gleichzeitig ist der Bücherwurm-Wagen im Ort zu sehen", sagt Lehmann. Dass das Angebot ohne zusätzliche Kosten für die Kunden nur in überschaubaren Maße stattfinden kann, sieht sie auch: "Dienstleistungen kosten Geld. Das sollte auch den Kunden klar sein. Die 9,90 Euro, die beispielsweise Thalia für seinen Lieferservice 'Thalia Blitz Express' berechnet, sind zwar viel Geld, aber schließlich fallen dem Unternehmen Ausgaben an."

Höchstpersönlich, allerdings in sehr viel geringerem Umfang, beliefert auch Birgit Ristau, Inhaberin der Arkaden-Buchhandlung in der nördlich von Hamburg gelegenen Kleinstadt Bargteheide ihre Kunden. "Ich bin alleine im Laden, deshalb liefere ich entweder morgens oder nach Geschäftsschluss aus. Meist bin ich zu Schulen unterwegs, Privatkunden haben ungefähr einmal im Monat den Wunsch, ihr Buch nach Hause zu bekommen. Auch Leute, die online bestellen, kommen lieber direkt in die Buchhandlung um sich ihr Buch abzuholen, obwohl das Angebot deutlich als Serviceleistung genannt wird", berichtet sie.

 

Gerda Heinzmann-Fischer, Inhaberin der Schubart-Buchhandlung in Ludwigsburg, beobachtet ein interessantes Phänomen: "Unsere Kunden wissen zwar, dass wir kostenlos liefern, aber sie scheinen Hemmungen zu haben, diese Dienstleistung von uns in Anspruch zu nehmen." Ihre Erklärung dafür: "Sie wissen, dass es uns Geld kostet. Bei großen Versendern haben sie damit kein Problem, weil es anonymer ist." Mindestens zweimal wöchentlich macht sich ein Mitarbeiter der Buchhandlung auf den Weg, um vor allem Schulen, Bibliotheken und Firmen innerhalb des Stadtgebiets zu beliefern, dabei macht er auch die Runde zu privaten Kunden. Bücher für die Außenbezirke nehmen die Buchhändlerinnen selbst nach Feierabend mit auf den Weg, was zu abwegig ist, wir kostenlos als Büchersendung verschickt. "Als Einzelmaßnahem ist das nicht wirtschaftlich, aber letztendlich rechnet es sich“" ist Heinzmann-Fischer überzeugt. Kostenfrei erst ab einem bestimmten Mindestbestellwert zu liefern, so wie es bis vor ein paar Jahren der Fall war, kann sie sich heute nicht mehr vorstellen: "Auch wenn ich es grundsätzlich befürworte, dass der Preis für diese Leistung sichtbar sein sollte, ist es heute einfach nicht mehr haltbar. Was in anderen Branchen üblich ist, zum Beispiel Versandkosten bei Modeunternehmen, geht im Buchhandel leider nicht mehr. Vielleicht kündigt sich mit den 9,90 Euro, die Thalia berechnet, eine Trendwende an – oder es beschert uns mehr Kunden: Diejenigen, die feststellen, dass wir das Gleiche gratis bieten."

 

Die Buchhandlung Peterknecht in Erfurt beliefert Rechnungskunden wie Unternehmen und Bibliotheken zweimal wöchentlich. Privatkunden können diesen Service noch nicht in Anspruch nehmen, stattdessen erhalten diese auf Wunsch ihre Ware als Büchersendung zugeschickt – kostenfrei und unabhängig vom Auftragswert.

 

Umweltfreundlich per Rad oder bei umfangreicheren Medienpaketen per Auto lässt die Buchhandlung Riemann in Coburg Bestellungen von Kurierunternehmen ausliefern. Bei Einkäufen ab 15 Euro erhalten die Kunden im Stadtgebiet ihre Ware kostenlos, darunter werden 3,50 Euro berechnet, unabhängig davon, ob die Zustellung per Post, Rad oder Auto erfolgt. "Die 15 Euro-Regel haben wir aufgestellt, um einer Ausnutzung des Angebots vorzubeugen", erläutert Buchhändlerin Irmgard Clausen in Hinblick auf den logistischen und verwalterischen Aufwand, der mit jeder Lieferung verbunden ist. Der Radkurier ist täglich im Einsatz, der Wagen fährt montags, mittwochs und freitags, abgestimmt auf den Bedarf eines großen Firmenkunden, der regelmäßig Bücherlieferungen erhält. Clausens Erfahrung: "Die Kunden möchten einfach wissen, dass sie die Möglichkeit haben, sich Bücher liefern zu lassen. Tatsächlich kommen die meisten nach wie vor selbst, um sich ihr Buch abzuholen." Und falls einmal jemand ganz dringend und umgehend einen Titel aus dem Bestand brauchen sollte? "Wir würden uns schnell selbst auf‘s Fahrrad setzen oder ein Taxi schicken – bei uns in Coburg ist ja alles ganz nah", schmunzelt Clausen. Die 15 Euro-Regel würde dann natürlich ebenfalls gelten. Dass eine Express-Lieferung in einer Großstadt für 9,90 Euro kostendeckend sein kann, zweifelt sie an: "Das ist wohl eher ein Marketing-Gag."