Landesverband Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland

Angst macht nur die Verbandsreform

15. April 2015
von Börsenblatt
Auf der gestrigen Jahreshauptversammlung des Börsenverein Landesverbands Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland wurden der alte Vorstand um Andreas Auth bestätigt und Ehrungen verdienstvoller Mitglieder vorgenommen. Emotional wurde es bei der Diskussion um die anstehende Strukturreform des Börsenvereins: "Der Landesverband muss erhalten bleiben!", lautet die Forderung aus Wiesbaden.

Drei Jahre sind seit der "horizontalen" Verschmelzung der südwestdeutschen Landesverbände zum Börsenverein Landesverband Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland vergangen: Mit Blick auf die gelungene Fortführung der Verbandsaktivitäten in den Bereichen Leseförderung, Verkaufsförderung und Politik für das Buch konnte der Vorstand eine positive Bilanz ziehen: Doppelte Strukturen und Kosten des Verbands seien eingespart worden, die Kasse sei gut gefüllt, derzeit würden trotz Mitgliederrückgangs Überschüsse erwirtschaftet (2014: 34.000 Euro), die in den nächsten Jahren aber planmäßig kleiner werden sollen (Plan: von 2016 10.000 Euro auf + 150 Euro in 2017). Und: Die Unternehmen aller drei Bundesländer fühlen sich in der neuen Struktur angemessen vertreten: "Alle haben profitiert", fasste der als Verbandsvorsitzender im Amt bestätigte Andreas Auth zusammen.

Verschmelzung im Südwesten war "goldrichtig"

Die Mitglieder des Landesverbands sprachen sich deutlich für ihr Modell aus und erteilten, wie bereits vor drei Jahren, einer Verschmelzung von Haupt- und Landesverband wie in NRW eine klare Absage. Der Vorsitzende Andreas Auth hatte in die Villa Clementine den Jahresabschluss der Geschäftsstelle NRW mitgebracht – und die Zahlen des eigenen Verbands in einer Excel-Tabelle dagegen gelegt. Posten für Posten wurde durchgegangen: Trotz deutlicher Unterschiede in der Mitgliederzahl und Struktur (mehr Mitglieder und größere, beitragsstarke Unternehmen in NRW, NRW gibt weniger für die Ausbildung und Leseförderung aus) fallen dort demnach an vielen Stellen höhere Kosten an: Vor allem die Reisekosten, Raumkosten und die Ausgaben für EDV, so Auth, fielen dabei ins Auge, auch die Ausgaben für Bezirksgruppentreffen schlügen stärker zu Buche, bei den Personalkosten mache der Unterschied pro Jahr sogar 100.000 Euro aus (196.000 Euro hatte der Landesverband Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland ausgegeben). "Das zeigt, dass wir hier sparsam leben. Auch die Fusion hat uns geholfen, doppelte Kosten einzusparen. Wir sind für die nächsten Jahre sehr zufrieden", so Auth. Dass in NRW durch die Verschmelzung mit dem Bundesverband Ausgaben eingespart werden konnten, daran meldeten viele Mitglieder in Wiesbaden Zweifel an. "Natürlich ist die Situation in NRW anders, aber für Rheinland-Pfalz, Hessen, Saarland haben wir die richtige Entscheidung getroffen", so Auth stellvertretend für die Verbandsmitglieder.

Strukturreform des Hauptverbands bereitet Magenschmerzen

Auch bei der anstehenden Strukturreform des Hauptverbands blicken demnach viele Mitglieder eher skeptisch nach Frankfurt – es herrscht Wagenburg-Stimmung. Trotz abgehaltener Zukunftskonferenzen und Informationsseiten des Börsenvereins herrscht bei den Mitgliedern starker Diskussionsbedarf. Insbesondere folgende Fragen seien offen:

  • Wie weit ist das Thema Verbandsreform?
  • Was bedeutet die Reform für die Landesverbände? Wird eine Auflösung der Landesverbände angestrebt?
  • Wer kann (nach Auflösung der bisherigen drei Sparten) eine Interessensgruppe werden? Wer kontrolliert die faire Repräsentation der Mitglieder?
  • Wie groß wird der Einfluss anderer ("fremder") Lobbys im Verband sein (Selfpublisher, Bibliothekare)?
  • Wie wird die von den Mitgliedern zu beschließende Reform sich auf die demokratische Struktur und das Verhältnis von Hauptamt und Ehrenamt auswirken?

"Diese Fragen sind sehr komplex und nicht über ein Internetforum oder auf der Hauptversammlung zu diskutieren", äußerte Rudolph Braun-Elwert Bedenken. Die im Grundsatz durchaus begrüßte Reform könnte womöglich beschlossen werden, ohne zuvor die kritischen Stimmen aus den Landesverbänden deutlich genug vernommen zu haben, warnte Braun-Elwert. Mitglieder aus den Ländern seien auf den Buchtagen in Berlin (17. − 19. Juni) in der Regel so spärlich vertreten, dass auch die Möglichkeit der Stimmübertragung ihre Grenzen habe.

Zweifelsohne dürfte die Diskussion zur Verbandsreform mit den bevorstehenden Fachausschusswahlen neu entflammen.

Wahlen

In offener Wahl wurde der bisherige Vorstand des Landesverbands im Amt bestätigt (Foto siehe oben):

Vorsitzender: Andreas Auth (WBG)
Stellvertreterin: Barbara Jost (Kontrast-Verlag)
Schatzmeister: Gerold Belzer (Quodlibet-Buchhandlung, Neustadt / Weinstr.)
Schriftführer: Jochen Mende (Prolit).

Ebenfalls im Vorstand sind:
Brigitte Gode (Gollenstein-Buchhandlung, Blieskastel)
Cornelia Layaa-Laulhé (Buchhandlung Layaa-Laulhé, Cochem)
Walter Lüderssen (Buchhandlung Angermann, Wiesbaden)
Martina Ricken-Bollinger (Buchhandlung Bollinger, Oberursel)
Andreas Schorr (Röhrig Universitätsverlag).

Aktivitäten des Landesverbands
Leseförderung: Fünf Landesentscheide wurden beim Vorlesewettbewerb in den drei Bundesländern organisiert, die Beteiligungsquote der weiterführenden Schulen betrug im Saarland: 74 Prozent, in Rheinland-Pfalz waren es immerhin noch 71 Prozent der Schulen, in  Hessen war mit einer Beteiligung von 51 Prozent "noch Luft nach oben"; wie Landesverbands-Geschäftsführer Klaus Feld einräumte. Allerdings konnte er darauf verweisen, dass sich die Beteiligung bundesweit immer noch im Mittelfeld bewege, kein Grund zur Panik also. Deutschlandweit hatten im vergangenen Jahr 575.000 Kinder um die Wette gelesen, das Presseecho und die rege Beteiligung sind ein bewährtes Aushängeschild in Sachen Leseförderung.

Außerdem konnte der Landesverband über die Unterstützung von Aktionen zur Leseförderung von Mitgliedsfirmen berichten (u.a. bei der Frankfurter Leseeule, beim Junge Literaturhaus Wiesbaden, der Leselust Rheinland-Pfalz, beim Lesedino Saarland und bei Huch, ein Buch! In Darmstadt)

Verleihung des Gütesiegels: über 100 Buchhandlungen wurden im vergangenen Jahr wieder als Partner der Leseförderung ausgezeichnet und konnten eine Urkunde und einen Aufkleber entgegennehmen: Die Regionalpresse berichtet weiterhin gerne, zumal Minister zur Auszeichnung Prominenz und politische Relevanz hinzufügen. Ohnehin: Auch durch die Landesverbandsverschmelzung habe die "enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit politischen Entscheidungsträgern" keinen Schaden genommen, so Feld, sondern "sehr gut und reibungslos funktioniert".  Auch bei Messerundgängen zeigten sich politische Entscheider und konnten bestehende Kontakte gepflegt werden.

Wichtige neue Aktivitäten im waren die erstmals durchgeführte Buchmesse Rheinland-Pfalz in Mainz mit über 70 Ausstellern und 5.000 Besuchern (hier ein Bericht und Video) sowie ein saarländischer Gemeinschaftsstand auf der Leipziger Buchmesse 2015, bezahlt vom saarländischen Wirtschaftsministerium und unterstützt vom Bildungs- und Kulturminister Ulrich Commerçon. Klaus Feld bezeichnete Commerçon als "Buchmenschen und Freund des Verbands".

Weitere Themen waren die "Vorsicht Buch!"-Kampagne (Schwierigkeiten mit den Transport- und Handlingskosten für "Das fesselnde Buch", Vorstellung neuer Roll-ups mit Kampagnenmotiven für Büchertische und als Eyecatcher für 50 Euro), das Mindestlohngesetz (insbesondere mit Blick auf Dokumentationspflicht für Minijobs und möglichst rechtssicherer Ausgestaltung von Volontariaten), SEPA sowie die verpflichtende Einführung neuer Internet-AGBs (durch intensive Beratung wurden zwei ausgeschiedene Mitglieder wiedergewonnen), außerdem wurden ohne große Änderungen zu den Vorjahren die Budgetpläne bis 2017 verabschiedet: "Wir müssen vielleicht irgendwann die Mitgliedsbeiträge erhöhen, bisher ist das aber nicht unser Ziel. Unsere Beiträge sind stabil, durch Ihren Einsatz wurde bislang immer mehr erwirtschaftet als im Budgetplan vorgesehen", bedankte sich Auth bei den sparsamen Mitgliedern. Justiziar Dieter Wallenfels berichtete über aktuelles aus der Rechtsabteilung (Preisbindung auf E-Books, Grenzüberschreitenden E-Book-Handel). Außerdem wurden mit VLB-TIX, edelweiss und novi 24 konkurrierende interaktive Vorschausysteme vorgestellt.

Ehrungen

Außerdem wurden Helma Fischer (Steinmetzsche Buchhandlung) für ihre 35-jährige Tätigkeit im Prüfungsausschuss der IHK durch Christoph Koch und Frank-Markus Ziemer geehrt, Fischer habe "Ägiden von Buchhändlerprüfungen bravourös gemeistert", so Koch. Ein Lob gab es für das duale Studium bei der Steinmetzschen: Dort absolviert eine Auszubildende parallel ein Studium – das könnte sich als attraktives Modell erweisen.

Eine weitere Ehrung gab es für das Engagement der Buchhändlerin Susanne Lux (Nimmerland, Mainz): Seit 25 Jahren ist Lux als Ausrichterin des Mainzer Vorlesewettbewerbs tätig. Zweifelsohne ein besonderes Engagement.

Prof. Dr. Eric Steinhauer bot zum Abendessen eine literarische Begleitung: Um Bibliotheksbestattungen, Leichen im Lesesaal und giftiges Papier geht es in seinem aktuellen Buch "Büchergrüfte − Warum Büchersammeln morbide ist und Lesen gefährlich" (WBG).