Leipziger Buchmesse

Die Buchbranche und der Big Bang des Internets

16. Juli 2015
von Börsenblatt
"Bücherdämmerung" in Leipzig? Keine Spur davon. Und doch zeugte die Podiumsdiskussion zum gleichnamigen Buch gestern Nachmittag von der Auflösung vieler Gewissheiten, mit denen die Buchbranche bisher gelebt hat.

Fünf Autoren des Bandes "Über die Zukunft der Buchkultur" – unter ihnen auch Herausgeber Detlef Bluhm – waren ins "Berliner Zimmer" der Leipziger Buchmesse gekommen, um ihre Essays thesenartig zugespitzt vorzustellen und miteinander zu diskutieren.

Volker Oppmann, Initiator der geplanten Plattform LOG.OS, sagte, dass sich "Rollenbilder und Funktionen rund um das Buch" durch die Digitalisierung komplett verändern würden. Wenn heutige einige Internetkonzerne die gesamte Wertschöpfungskette mit Geräten und Inhalten kontrollierten, dann spielten sie immer mehr die Rolle "kommerzieller Großbibliotheken", die die Buchbestände auf wenigen Servern konzentrieren.

Katja Splichal (Ulmer Verlag) vergleicht die Auswirkungen des Internets auf die Buchbranche mit einem Vulkanausbruch: Die "Aschewolke" der Digitalisierung verfinstere zunächst den Himmel, bevor sie als Dünger herabfiele und fruchtbaren Boden für Neues schaffe.

Der Medientheoretiker Stephan Selle glaubt, dass sich das Verständnis von Texten in der digitalen Welt ab einem gewissen Punkt völlig verändert – wenn sich Lesegeräte in intelligente Interpreter verwandeln, die für uns mitlesen und – horribile dictu – den Text so ummodeln, dass er auf die Bedürfnisse des Lesenden reagiert und ihn individuell anpasst.

Einspruch! hieß es da von Elisabeth Ruge (Literaturagentin): "Wenn ein Text mich in veränderter Form narzisstisch zurückspiegelt, dann führt dies zu einer Verarmung." Und: "Meine Vorstellung von Literatur ist eine andere."

Detlef Bluhm, der die Runde selbst moderierte, hat dem Buch nicht nur das Vorwort beigegeben, sondern auch drei Beiträge geschrieben – unter anderem über die veränderte Rolle des Autors im Netz.

Nach der Runde lud Andreas Auth, der Direktor der WBG, in deren Imprint Lambert Schneider das Buch erschienen ist, zu einem Glas Sekt ein. Mehr zum Buch lesen Sie in unserem Buchtipp am Sonntag.