Leipziger Buchmesse: Diskussion zur Startup-Finanzierung

"Gründet und mehret Euch"

16. März 2015
von Nils Kahlefendt
Gehen Sie auf "Los!" und ziehen Sie eine halbe Million Euro ein: Auf der Leipziger Buchmesse diskutierten Gründer, Business-Angels und Branchenexperten über Finanzierungsmöglichkeiten, Unternehmensformen und Business-Pläne. Gastgeber: Der Startup-Club des Börsenvereins.

Seinen Verlag Onkel & Onkel finanzierte Volker Oppmann 2007 "komplett privat"; inzwischen haben die namengebenden Familien-Mitglieder ihr Geld wieder. Bei Oppmanns ehrgeiziger, gemeinnütziger E-Book-Plattform LOG.OS sieht der Fall komplett anders aus: "Da lässt sich schlecht ein Finanzprodukt stricken, das für Manchesterkapitalisten interessant wäre."

Hier ist nicht der schnelle Return-on-Invest, sondern eher Idealismus gefragt. Was wohl für die Buchbranche im Allgemeinen gilt: Die zu erwartenden Margen sind nicht so gewaltig, als dass Venture-Heuschrecken magnetisch angezogen würden. Passen also Finanz-Investoren überhaupt in diese Landschaft? Wie findet man als Gründer private Kapitalgeber? Wieviel Geld ist nötig? An welchen Stellschrauben lässt sich drehen? Diese und andere Fragen rund ums Gute, Schöne und Bare diskutierte Leander Wattig auf Einladung des Startup-Clubs im Börsenverein unter dem Motto "Partnervermittlung: Idee sucht Investor!" im Fachforum der Buchmesse. 

Spannende Felder für frische Ideen, so der Tenor der Runde, gibt es genug, das beweisen schon die "buzz-words" der Stunde: "Communities" und "Selfpublishing". Die Umsetzung ist der Knackpunkt. Selbst wenn man nicht auf ein hoch skalierbares E-Commerce-Endkundengeschäft setzt, sollte man als Gründer zwei Jahre und eine halbe Million einplanen, um auf der sicheren Seite zu sein.

"Das Klinkenputzen, die Suche nach den passenden Partnern dauert", meint Samuel Ju, der als Student der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an der Entwicklung der E-Learning-Software Brainyoo beteiligt war und Anfang 2012 zusammen mit einem Freund die E-Learning-Plattform Repetico gründete. "Das ist wertvolle Zeit, die in der kreativen Arbeit fehlt." Ju hatte Glück: Jonathan Beck hat als privat agierender Business Angel die Gründung von Repetico begleitet. Ein persönliches, kein strategisches Investment: "C. H. Beck ist es nicht gewohnt, Minderheitsgesellschafter zu sein."

Jens Klingelhöfer, der seine Firma bookwire mit Hilfe branchenfremder Investoren gründete, verwies auf die hierzulande prinzipiell schwierige Finanzierungs-Landschaft. Entweder tropft der Geldhahn nur spärlich oder er sprudelt überreich, zwischen den Extremen klafft eine Lücke. EU-Programme seien zudem meist an eine Mindestkapitalquote gebunden und damit für Firmen, die von Null starten, wenig hilfreich.

Christopher Hahn, der als Wirtschaftsanwalt vorwiegend für junge Start-ups tätig ist, verwies darauf, dass es mit dem Wagniskapital-Programm Invest des Bundeswirtschaftsministeriums seit zwei Jahren ein probates Tool für Unternehmen in der Frühphase gebe: Unter bestimmten Bedingungen können private Geldgeber 20 Prozent ihres Investments als Zuschuss erhalten – derzeit seien noch rund 137 Millionen aus dem Bundesprogramm abrufbar. Start-Ups, die sich ihre Förderfähigkeit für Invest-Wagniskapital bescheinigen lassen, sind laut Hahn auch automatisch in der Datenbank des Business Angels Netzwerk Deutschland vertreten.

Ebenso entscheidend wie die Investmenthöhe ist die richtige Chemie zwischen Start-up und Geldgeber. Versteht letzterer das Business nicht, in das er einsteigt, kann das die "Hölle auf Rädern" sein, warnte Volker Oppmann: "Ein ausgemusterter Procter & Gamble-Manager mag für Pampers funktionieren – aber nicht für Bücher." Gesucht und rar: Risikobereite Leute mit Stallgeruch, die auch branchenunerfahrenen Neulingen Türen öffnen. Wichtig ist zweifellos auch der Austausch mit anderen Gründern, das Andocken an bestehende Branchen-Netzwerke, interdisziplinäres Denken. Hier können der Börsenverein und seine Landesverbände Anlaufstellen sein. "Wieso haben wir uns noch nicht kennengelernt?", fragte selbstkritisch der Frankfurter Jens Klingelhöfer in Richtung des Frankfurters Samuel Ju. 

Mehr Vertrauen in bereits bestehende Initiativen wie protoTYPE wünscht sich Dorothee Werner, beim Börsenverein Leiterin Unternehmensentwicklung. Wieso nicht mal "in echt" um ein innovatives Projekt pitchen? Bis zur Frankfurter Buchmesse will der Verband zehn Business Angels gewinnen, die Gründerinitiativen für die Branche begleiten. Dazu soll jedem Mitglied im Startup-Club ab den Buchtagen Berlin ein erfahrener Mentor aus der Buch-Welt zur Seite stehen. Und auch am Konzept für einen Branchen-Inkubator, vom Podium gleich mehrfach gewünscht, wird in Frankfurt geschraubt. Mit einem kräftigen Stoßgebet wurde die muntere Runde nach 60 erkenntnisfördernden Minuten in den Messetrubel entlassen: "Gründet und mehret euch!"

Für alle, die sich vernetzen und mehr erfahren wollen: Informationen über die Startup-Angebote des Börsenvereins gibt es hier und hier.