Leser-Mail

"Alles alte Hüte“ oder "Die Quadratur des Kreises“

14. Februar 2008
von Börsenblatt
Zum Editorial in BÖRSENBLATT Heft 6 erreicht uns ein Leserbrief von Jörg Jahn-Meyer, Inhaber The Book Buchhandlung, Stolzenau und Liebenau.
Da kommt man nach getaner Arbeit in seiner Buchhandlung nach Hause, denkt an nichts Böses, freut sich über das schöne Cover von Karen Duve`s Buch, schlägt das Börsenblatt auf und bekommt gleich wieder eine „alte Kamelle“ um den Bart geschmiert. Die Preisfrage lautet: „Wer verbündet die Verbünde?“ Gleich im ersten Absatz werden den kleinen Sortimentsbuchhandlungen ihre vermeintlichen Unsäglichkeiten, Fehler und betriebswirtschaftlichen Fehltritte um die Ohren geschlagen. Herr Dr. Casimir stellt zurecht heraus, dass die Luft aufgrund des Wachstums der Filialisten immer dünner wird. Der lesenden Buchhändlerbevölkerung ist es wohl bekannt, dass diese Filialisten bessere Handelsspannen haben, dass diese Filialisten bessere Geschäftslagen von den jeweiligen Kommunen zu vielleicht auch akzeptableren Preisen „zugeschustert“ bekommen. Ein Tatbestand, der den kleineren Sortimenten wohl sehr bewusst ist, an dem sie aber jedoch nicht sehr viel ändern können. Aufgewacht von der ersten Schelte erfolgt im Editorial die Lähmung durch das wohlbekannte „Bolzenschussgerät“. Die kleineren Sortimente sollen selber schuld an der Misere sein. Sie haben „miserable Rohertragsquoten und eine miserable Ausstattung an Eigenkapital“. Es folgt eine betriebswirtschaftlich kluge Folgerung: „Sie sind schlechte Kreditnehmer.“ Bislang neben meiner Benebelung durch die beiden Hauptargumente, Dinge die mir, und allen anderen kleineren Sortimentern wohl bestimmt gewiss sind. Zur allgemeinen Beruhigung erfolgen Tipps wie man am besten aus der Misere entfliehen könne. Der Ratschlag Erträge zu steigern, ist leicht daher gesagt. Wie kann man den Ratschlag erteilen Erträge zu steigern, wenn man im Intro auf die zunehmende Filialisierung und auf die schlechte Kreditfähigkeit der Sortimenter anspricht? Mir klingt das wie eine schlecht überlegte Argumentation nach einem durchzechten Karnevalswochenende. Erträge lassen sich nur durch gut kalkulierte Strategien, einem halbwegs durchsetzten Feld an Mitbewerbern und einer starken Prise an Service und Menschlichkeit im täglichen Geschäft durchsetzen. Das Problem ist jedoch, dass sich der Konsument immer noch durch riesige Prozentzeichen und andere halbseidene Aktionen blenden lässt. Der Vorschlag Kosten zu dämpfen taumelt meines Erachtens auch ins Leere. Schaut und hört man sich auf dem Parkett der mittleren und kleineren Sortimenter um so werden schon auf Teufel komm raus Kosten gedämpft. Da wird das doch so hart wie wahr geschaffene Wort des „Selbstausbeuters“ plötzlich vollkommene Wahrheit und Klarheit. Die Mutmaßung, dass der Unternehmerlohn gen Hartz IV tendiert trifft den Nagel dann endgültig auf den Kopf. Somit beschäftigt sich das Editorial bis zu diesem Punkt mit Dingen, die auf unserem Parkett sowieso jeder weiß. Der kleinere Sortimenter wird mit seinen Unzulänglichkeiten mal wieder öffentlich gesteinigt, es finden sich jedoch keinerlei inhaltliche Ideenansätze um die Situation wirklich zu entschärfen. Dies könnte endlich mal eine Forderung zur schärferen Gangart bei recht laschen Kartellentscheidungen sein. Dies könnte endlich mal eine Forderung nach härteren Strafen bei Wettbewerbsangelegenheiten wie dem jüngst erwähnten„Thalia-Preis“ sein. Dies könnte seitens des Börsenvereins endlich mal eine Initiative sein, dem Endkunden unmissverständlich zu erklären, dass Bücher überall das gleiche kosten. Solange den Filialisten die halblegale Möglichkeit offen liegt, unter Beobachtung von „Gewerkschaft“, „Presse“ und „Gesetzgebung“ kalkuliert Fehltritte zu begehen, solange wird die von Dr. Casimir beschriebene Szenerie auch bestehen bleiben. Zwei Elemente stören daher meines Erachtens die Buchhandelsszene um ein Erhebliches: die immense Marktmacht der Filialisten und das Nichtwissen der Konsumenten, dass es auch noch eine Buchhandlung um die Ecke gibt, die einem die gleichen Bücher zu den gleichen Preisen verkaufen kann wie im Supermarkt oder beim großen Filialisten. Das Bewusstmachen dieser Unzulänglichkeiten wäre meiner Meinung ein erster Ansatzpunkt. Ob Kooperation und Verbünde wirklich das optimale Instrument zur Rettung der Situation sind, wage ich zu bezweifeln. Ein Verbund, egal welcher es ist, kostet den Sortimenter ebenfalls Geld und auch manchmal Geduld. Das fängt bei „Eintrittsgebühren“ an und schlängelt sich weiter über die Übernahme eines anderen Kassensystems, welches einen Sortimenter in seinem Verkaufsverhalten auch noch ausspioniert. Zusammengefasst bedeutet der Schritt einem Verbund beizutreten erstmal nur Verpflichtungen, Verpflichtungen, Verpflichtungen. Zudem erscheint mir noch, dass diese Institutionen, die ja quasi noch in den„Kinderschuhen“ stecken, manchmal noch gar nicht wissen, wohin sie steuern. Ein Mensch ist noch nicht Mensch, wenn er nicht einmal weiß wie er sich beim Namen nennen soll. Stumpf gesehen zahlt der Sortimenter dann für zwei Institutionen, nämlich den Verbund und den Verein. Und sind wir mal ehrlich: Das alles nur für 1-4 Prozentpunkte die durch einen besseren Einkauf zustande kommen? Der obere Kopf verdient sich frei und die Füße bluten weiter vor sich hin. So erscheint mir daher die Wahl eines Barsortimentes ohne Verbund als die einzige Lösung.