Lesetipp

Macht Amazon psychisch krank?

25. November 2013
von Börsenblatt
Streiks in Leipzig und Bad Hersfeld und jede Menge negative Publicity: Heute strahlt die "BBC" eine wenig schmeichelhafte Reportage über das Leben als Picker bei Amazon in Großbritannien aus, gestern machte die "Welt" mit Negativschlagzeilen Amazon das Leben sauer. Experten sagen: Wer bei Amazon arbeitet, muss sich um seine seelische Gesundheit sorgen. Hilft das dem Sortiment?

"Gerade bei Amazon kann man von einem neuen oder Neo-Taylorismus sprechen", sagte Jürgen Pfitzmann, Arbeitsorganisationsexperte von der Universität Kassel den Redakteuren der "Welt" − die am Sonntag unter dem Titel "Amazon gängelt Mitarbeiter wie vor 110 Jahren" eine große Reportage online stellten.

Von "einem System mit Leistungsdruck, starren Vorgaben und als Schikanen empfundenen Äußerungen mancher Führungskräfte" ist die Rede, von teilweise absurden Dienstanweisungen und der Totalüberwachung der Mitarbeiter − inklusive Leistungskurven für die Picker im Versandzentrum. Die Journalisten Benedikt Fuest und Flora Wisdorff stellen auch die ambivalente Rolle von Verdi dar − die Gewerkschaft hat in den Versandzentren Leipzig und Bad Hersfeld zum Wochenstreik aufgerufen und will auch im Advent weiterstreiken − seit Sommer treten die Arbeiter immer wieder in den Ausstand um einen Tarifvertrag durchzusetzen, der für den Einzel- und Versandhandel gilt. Nicht alle Mitarbeiter sehen ihre Interessen von Verdi vertreten, auch in der Öffentlichkeit gibt es immer wieder Kritik an der Gewerkschaft, die auch Eigeninteressen verfolgt.

Auch die "BBC" sendet heute Abend einen ähnlichen Bericht ("The truth behind the klick" − "Die Wahrheit hinter dem Klick") über einen Undercover-Journalisten, der in Großbritannien mit versteckter Kamera als Picker in einem Versandzentrum gearbeitet hat. 

Auch hier bescheinigt ein Stress-Experte den Mitarbeitern "ein erhöhtes Risiko für psychische und körperliche Schäden", wie der "Bookseller" vorab ankündigt.

Das Image Amazons hatte bereits aufgrund der preisgekrönten HR-Reportage "Ausgeliefert! Als Leiharbeiter bei Amazon" über die Situation der Leiharbeiter bei Amazon gelitten, dem Sortiment bescherte das ein starkes Ostergeschäft. Experten sind sich aber uneins, ob das eisern kalkulierte Wachstum Amazons sich durch die negative Presse beinflussen lässt.

Das Börsenblatt fragt darum Buchhändler, ob sie es in der eigenen Kasse spüren, wenn der nächste "Shitstorm" über Amazon hinwegfegt. Stimmen Sie mit ab!