Lit.Ruhr startet heute

Zwischen Ansturm und Gegenwind

4. Oktober 2017
von Max Florian Kühlem
Vom 4. bis 8. Oktober findet erstmals die Lit.Ruhr statt, als Ableger der Lit.Cologne. Rund 20.000 Tickets sind bereits verkauft. Doch es gibt auch Kritik aus dem unabhängigen Buchhandel, etwa in Bezug auf die Kommunikation der Veranstalter.

Wenn man nur die Zahlen betrachtet, könnte man jetzt schon davon sprechen, dass das Ruhrgebiet nur auf den Ableger der Lit.Cologne gewartet hat. Doch das Kölner Import-Festival Lit.Ruhr, das heute in Essen startet, hat auch mit hartnäckiger Kritik zu kämpfen.

Rund 20.000 Tickets sind für die Veranstaltungen, die an fünf Tagen zwischen Essen und Dortmund stattfinden, schon verkauft. "Ich bin guten Mutes, dass wir eine Auslastung von 70 und 80 Prozent hinbekommen", sagt Lit.Ruhr-Geschäftsführer Rainer Osnowski. 300.000 Euro haben allein die großen Ruhrgebiet-Stiftungen wie Brost-, RAG-, Krupp-Stiftung und Stiftung Mercator in das Festival gesteckt – und werden das in den kommenden zwei Jahren wieder tun. Sponsorengelder und Sachleistungen wie der Chauffeur-Service für Autoren eines Mercedes-Autohauses bescheren der Lit.Ruhr ein äußerst beachtliches Gesamtbudget von einer halben Million Euro.

Naturgemäß ruft Erfolg Neider auf den Plan. Doch ganz so einfach liegt der Fall bei der Kritik am neuen Festival nicht. Das Problem, das Akteure wie Norbert Wehr vom Magazin Schreibheft, Gerd Herholz vom Literaturbüro Ruhr oder Buch-Einzelhändler, die selbst Programm machen, haben, liegt vor allem in der Kommunikation. "Die Lit.Ruhr ist mit großem Getöse angekündigt worden", sagt Beate Scherzer von der Essener Buchhandlung Proust Wörter + Töne.

Die Behauptung, "Autoren ins Ruhrgebiet zu bringen, die bisher einen Bogen um die Region gemacht haben", findet die Buchhändlerin, die seit 27 Jahren selbst Literaturveranstaltungen auflegt – etwa die Reihe Literatur:Literatur! mit Norbert Wehr – zu vollmundig. Rainer Osnowski setzt dem entgegen, dass Nick Hornby und Martin Suter tatsächlich noch nie im Ruhrgebiet gelesen hätten. Und Größen wie Donna Leon würden sich immer mehr auf wenige große Städte konzentrieren.

Beate Scherzer empfand außerdem als unglücklich, dass die meisten Akteure der regionalen Literaturszene erst aus den Medien vom Export des Kölner Festivals erfahren haben: "Es ist an uns vorbei geplant und kommuniziert worden." In diesem Punkt gibt sich Rainer Osnowski durchaus selbstkritisch: "Wir haben leider erst nachdem wir unser Konzept voran getrieben haben mit der Szene gesprochen." Außerdem sei es ein Versäumnis gewesen, einen wichtigen Akteur wie die Buchhandlung Proust nicht einzubeziehen. Nach dem Festival will er das sofort nachholen. Beate Scherzer ist gesprächsbereit – "wenn der Kontakt auf Augenhöhe stattfindet."

Dass aus solchen Gesprächen keine Partnerschaft entstehen wird wie die mit dem Filialisten Thalia, der alle Büchertische der literarischen Großveranstaltungen stemmt, ist allen Seiten klar. Ziel könnten jedoch gemeinsame Veranstaltungen sein – und generell eine positivere Stimmung. "In Köln sind Akteure wie das Literaturhaus oder die Buchhandlung Bittner sehr gut auf das Festival zu sprechen", sagt Rainer Osnowski. "Das Problem an der Literaturszene ist doch, dass sie Leute verliert. Und wenn wir 600 Menschen zu Zadie Smith bewegen oder die Philharmonie Essen zur Eröffnungsgala ausverkaufen, dann erreichen wir damit sicher auch viele, die erstmals zu einer Lesung kommen."