Ludger Derrix über Medienmix und Kundengewinnung

Der richtige Riecher

17. November 2016
von Börsenblatt
Was kann man tun, um sich von den großen Buchhandlungen abzugrenzen? Oder um neue Kunden zu gewinnen? Buchhändler Ludger Derrix rät zum Medienmix.

Zwei Stunden nach der Nachricht, dass Bob Dylan den Literaturnobelpreis verliehen bekommt, bringt ein Stammkunde eine alte Schallplatte des Preisträgers mit und fragt mich: "… kannst du bestimmt für deine Schaufensterdekoration gebrauchen, oder?". Die kleine Szene zeigt ganz gut die besondere Beziehung, die sich zwischen Buch- / Medienhändler und Kunden entwickelt, wenn sich beide für etwas begeistern können – sei es nun Musik, Literatur oder Filme.

In meiner Buchhandlung setzte ich von Beginn an auch einen spirituellen Schwerpunkt. Dazu gehören CDs mit Meditationsmusik und Weltmusik sowie Hörbuch-Ratgeber. Dieser Mix funktionierte so gut, dass er bald die Erweiterung um ausgewählte Klassik und Jazz nach sich zog. Natürlich ist das erst mal ein Sondieren, was in einer niederrheinischen Kleinstadt wie Geldern (35.000 Einwohner) in dieser Richtung gefragt ist. Doch schnell hat sich ein Grundsortiment von jeweils rund 50 CDs herauskris­tallisiert. Natürlich muss ich als Händler auch Neues entdecken, das nicht dem Mainstream folgt. Ein wichtiges Instrument dabei war für mich etwa die regelmäßige Recherche beim WDR-Sender Funkhaus Europa, dort kann der Hörer und damit auch der CD-Käufer Sängerinnen wie Maria Gadu aus Brasilien entdecken, mit ihrer wunderbaren Mischung aus Folklore, Pop und Jazz.

Wie bei einem guten Buch, zählt auch hier beim Kunden die persönliche Empfehlung, unterstützt durch die Möglichkeit, die Musikstücke an der Hörstation in der Buchhandlung durchzu­skippen. Musikalben und DVD-Filme aus den gängigen Chart-­Listen findet der Kunde bei uns dagegen nicht (zugegeben, bei der Klassik komme ich nicht an den neuen CDs von Jonas Kaufmann und David Garrett vorbei – auch das eine Parallele zu den Bestsellerautoren im Buchhandel). Im Pop-Rock-Bereich mit rund 400 CDs reicht mein Angebot von den Klassikern bis zu Neuheiten. Auch die neue deutsche Singer- / Songwriter-Szene ist gut vertreten: Clueso, Philipp Poisel und Johannes Oerding (der übrigens gebürtig aus Geldern ist!) laufen immer.

Die Zielgruppe Ü 40 lädt noch nicht alles aus dem Internet runter – im Gegenteil, Vinyl-Alben sind wieder gefragt. Davon habe ich einige als Blickfang dekoriert, wie jetzt aktuell Bruce Springsteens letztes Studioalbum, daneben seine neue Autobiografie, einige seiner CDs und die DVD "Live in New York". Nicht weit davon entfernt: John Eliot Gardiners neue Bach-Biografie nebst "Weihnachtsoratorium" – das ich übrigens im Dezember als ­Tenor in unserem Kirchenchor Geldern selbst mitsinge.

In der Praxis bedeutet das Geschäft mit Musik-CDs und DVDs / Blu-Rays natürlich viel Recherche: Was erscheint wann? Wo bekomme ich die Produkte als Buchhändler? Wie kalkuliere ich? Ich arbeite mit dem JPC-Medienvertrieb und KNV zusammen, durch Mischkalkulation liegt meine Gewinnspanne zwischen 32 und 35 Prozent. Hinzu kommt der Kompetenzgewinn beim Buchkunden, aber auch das Gewinnen neuer Kunden. Die persönliche Sortimentsauswahl der Musik und Filme schärft, wie bei der Literatur auch, das eigene Profil, denn ich möchte keine Plüschtiere, Spardosen oder "Star Wars"-Disney-Kram verkaufen.

Auch das Veranstaltungsspektrum wird dadurch vielseitiger: Neben den Krimilesungen "Mittwochs im Bücherkoffer" gibt es bei uns Kleinkunst mit Musik: etwa E-Gitarren-Improvisationen gepaart mit moderner Lyrik eines jungen Theaterstudenten – seine Eltern sind gute Kunden. Oder auch eine Art Wohn- / Buchzimmerkonzert mit dem Trio meines Musik studierenden Sohns. Noch mal zurück zu Bob Dylan: Die LP steht jetzt natürlich im Fenster, daneben meine schwarze Höfner-Jazzgitarre und die wunderbare DVD "I'm not there" mit Cate Blanchett als junger Robert Zimmerman.