Ludger Derrix über seine Einkaufskriterien bei Krimis

Der richtige Riecher

1. Juni 2017
von Börsenblatt
Die Zahl der Kriminovitäten ist enorm. Wie wählt man da aus? Buchhändler Ludger Derrix hat für den Einkauf so seine eigenen Kriterien entwickelt – und verrät hier seine Favoriten.

In diesen Wochen werden wir wieder mit den Vorschauen der Verlage erfreut und bei der ersten Durchsicht fällt schon ein Trend auf: Klassische englische Krimis sind wieder im Kommen, ausgelöst sicherlich auch durch TV-Serien wie "Inspector Barnaby" oder auch "Downton Abbey". Jahrelang war es still geworden um Martha Grimes & Co., und jetzt ist wieder – trotz Brexit – Mord in der ländlichen Idylle schottischer Highlands oder auf englischen Kanalinseln angesagt.

Dies ist sicherlich ein ganz wichtiger Aspekt – ein angesagter Schauplatz, dann entwickelt der Leser oft eine Sucht nach immer mehr Provence-, Shetland- oder auch Spreewald-Krimis. Ich als Buchhändler muss das genau beobachten und auch immer eine Auswahl anbieten können. Vorteil ist natürlich: Die Überlegung "Was dekoriere ich heute?" erübrigt sich, denn Krimis aus einer Region gemeinsam eventuell mit Stadt- oder Reiseführern und Kochbüchern lassen sich immer präsentieren.

Schnell besteht hier aber auch die Gefahr der Übersättigung und auch des Qualitätsverlusts, denn nicht jeder französische Krimi hat auch Charme und Esprit. Da hilft leider nur selbst lesen oder sich auf Empfehlungen verlassen. Hilfsmittel können hier die Krimitipps der "FAZ" oder von Webseiten wie der Krimi-Couch sein.

Ein weiteres Kriterium kann der Verlag sein, beispielsweise der Emons-Verlag mit seinen Regionalkrimis. Wichtig sind dem Leser hier vor allem authentische Figuren, witzige Dialoge – auch schon mal in Dialekt – und eine interessante Nebenhandlung. Moderne Heimatromane könnte man sie auch nennen, dafür gibt es immer noch neue und vor allem treue Leser. Mit den Autoren lassen sich auch wunderbare Lesungen veranstalten. Ich begleite von Anfang an die Karriere des Krimiautors Klaus Stickelbroeck aus Kerken am Niederrhein, nur zehn Kilometer von meiner Buchhandlung entfernt. Dem Düsseldorfer Polizisten ist mit Privatdetektiv Frank Hartmann ein unverwechselbarer Charakter gelungen, voller Schwächen und Macken, aber mit den richtigen Freunden. Herrlich actionreiche Fälle, voller Spannung und Humor, seine Lesungen sind ein Erlebnis.

Ebenfalls immer wieder interessant sind die historischen Krimis – nicht im tiefen Mittelalter, sondern zwischen den 1910er und 1950er Jahren spielend. Hier werden zusätzlich historisch interessierte Leser angesprochen. Zu empfehlende Autoren sind: Susanne Goga, Volker Kutscher, Cay Rademacher und Jan Zweyer. Allen Autoren gemeinsam ist der Kommissar, der zwischen politischen Zwängen, eigenem Gewissen und historischen Wirren ermitteln muss. Das halte ich für ein wichtiges Merkmal eines guten Krimis: Die Täter und Ermittler dürfen nicht nur als gut oder böse dargestellt werden, sodass die Geschichte auch glaubhaft und für den Leser nachvollziehbar ist.

Wichtigstes Hilfsmittel bei der Bewältigung der Krimiflut und der Entscheidung für ein bestimmtes Buch bleibt für mich die Beschreibung in der Verlagsvorschau, hinzu kommen die eigenen Erfahrungswerte. Außerdem natürlich der richtige Riecher, der buchhändlerische Instinkt, das Bauchgefühl. Denn nur von Warengruppenstatistiken und Regalplatz möchte ich mich auch nicht bestimmen lassen. Schließlich will ich meinen Kunden auch eine interessante, vielseitige, vor allem aber individuelle Auswahl an Kriminalromanen bieten. Nach meiner Erfahrung fährt man damit auch den richtigen Umsatz ein!