Lutz Seiler im Gespräch mit dem Börsenblatt

"Das Ohr regiert"

3. März 2015
von Börsenblatt
Kritikerlob freut Autoren, erfüllt sie aber auch mit einem gewissen Aberglauben, wenn es um den Wettbewerb für einen Literaturpreis geht. So war es auch bei Lutz Seiler ("Kruso"), dem Träger des Deutschen Buchpreises, den viele Rezensenten schon früh zu ihrem Favoriten erklärten. Seiler und seine Lektorin waren Gäste einer Gesprächsrunde im Forum Börsenverein, die Börsenblatt-Redakteur Stefan Hauck moderierte.

"Das waren zwar gute Nachrichten", sagt Seilers Lektorin Doris Plöschberger (Suhrkamp), "aber man zuckt dann einen Moment zusammen und denkt abergläubisch, dass es gerade deshalb nicht klappt". Seiler selbst ist auch nicht frei von Aberglauben und bekennt: "Meine Frau riet mir, das Hemd anzuziehen, das ich schon beim Wettbewerb in Klagenfurt anhatte". Mit ebendiesem blauen Hemd sitzt Seiler nun vorm Publikum.

Für den Lyriker, Essayisten und Erzähler sei es eine ganz neue Herausforderung gewesen, einen Roman zu schreiben: "Da werden ganz andere Dinge erwartet". Dennoch könne er das "Erbe des Lyrikers nicht verleugnen". Die Sätze in "Kruso" seien rhythmisch und als Klangfolgen angelegt. "Jeden Satz habe ich so lange gesprochen, bis er stimmt. Das Ohr regiert." Jede Seite bilde eine "rhetorische Skulptur"; die Romanerzählung erzeuge einen Ton, von dem der Leser getragen werde und in dem er sich zuhause fühle.

Seiler und Plöschberger sprachen auch sehr offen über ihre Zusammenarbeit. Der Schriftsteller beginnt seine Bücher immer mit dem Bleistift zu schreiben, steile Textsäulen mit viel Rand für Notizen, bevor er dann in einem zweiten Schritt eine "technische" Fassung erstellt, die er dann seiner Lektorin zur Bearbeitung übergibt. Doris Plöschberger hat aber durchaus ein Wörtchen mitzureden, wenn es um die Erzählweise geht. So stand für sie sehr früh fest, dass "Kruso" einen "personalen Erzähler" braucht.

Über die literarische Inspiration hinaus spiegeln sich in Seilers literarischer Finesse auch Erfahrung aus der Arbeitswelt. Die Liebe, mit der der gelernte Maurer und Zimmermann früher sein Handwerkszeug pflegte, übertrug sich auf die Sorgfalt der sprachlichen Formulierung, mit der der Lyriker und Erzähler ans Werk geht. Seine "proletarische Herkunft" sei ihm in dieser Hinsicht immer wertvoll gewesen.