Malen mithilfe künstlicher Intelligenz

Algorithmus statt Pinsel

18. Mai 2017
von Nils Kahlefendt
Ein neuer Klimt aus dem Computer? Mit "künstlichen Kunstwerken" setzt der Ackermann Verlag auf die Erkenntnisse der Neurophysik.

Moment mal: Da strahlt ein Karussell vor dem Pariser Eiffelturm wie Gustav Klimts "Goldene Adele", Renoir taucht die Chinesische Mauer in ein Blütenmeer. Begann die Geschichte von Wassily Kandinsky und dem Blauen Reiter statt in Murnau in Schloss Neuschwanstein? Die beruhigende Nachricht: Die Kunstgeschichte muss nicht umgeschrieben werden; sämtliche Werke sind computergeneriert. Doch was lässt Rechner wie berühmte Künstler malen?

Seinen Anfang nahm das Experiment in den Labors der Universität Tübingen, wo Neurowissenschaftler, Medieninformatiker und Physiker vor einigen Jahren das Konzept von Deep Learning auf Bildbearbeitungsprozesse übertrugen. Die Forscher nutzten dabei einen Trick: Sie verwendeten existierende Kunst als Vorlage für ihre Computerwerke. Mit­hilfe künstlicher neuronaler Netze, die ähnlich wie das menschliche Gehirn funktionieren, "erlernt" ein Algorithmus den Stil eines bestimmten Malers – und kann ihn dann auf beliebige Motive anwenden. So kann die Golden Gate Bridge in San Francisco wie August ­Mackes "Kleiner zoologischer Garten" leuchten.

Im Ackermann Kunstverlag, der mit Kalendern wie "Verrückte Kunst" und "Verrückte Welt" als Spezialist für optische Illusio­nen gelten kann, war das Interesse an einer Zusammenarbeit mit den Tübinger Tüftlern groß – doch für die benötig­ten hochauflösenden Bilder war die Technik noch nicht ausgereift. Als die Tübinger Forschergruppe jedoch mit Kollegen aus der Schweiz und Belgien das Internet-Start-up Deepart gründete, um hochauflösende Versionen von computergenerierten Bildern zu ermöglichen, war die Zeit für eine Partnerschaft mit dem Kalenderverlag reif.

Für "Kunst 2.0" kreierten Ackermann-Art-Director Stephan Schlieker und Verlagsleiterin Nicole Roussey mithilfe der Deepart-Technologie zwölf neue Kunstwerke. Eine Stilvorlage und ein Foto hochladen und den Computer rechnen lassen: klingt einfach. Ist es aber nicht: "Es war spannend, mit dem Algorithmus zu spielen. Wir haben auch verrückte Sachen ausprobiert, etwa van Gogh einen Monet malen lassen", erklärt Schlieker. Nur: "Das hat nicht so gut funktioniert. Der anspruchsvollste Teil der Arbeit war es, die richtigen Kombinationen zu finden."

Bei Ackermann gab es neben den klassischen Produkten schon immer Raum für Experimentelles; etwa in Form von Filmstreifen gestanzte Kalender oder solche mit austauschbaren Bildrahmen. "Wir setzen neue Impulse, weil es uns bereichert", sagt Schlieker. Auch für den Kalendermarkt ist "Kunst 2.0" zweifellos eine Frischzellenkur.