Martin Kraus und sein mobiles Sortimentskonzept

Laetare on tour

24. August 2017
von Börsenblatt
Eine Alternative zum stationären Laden: Mit dem Laetare Buchmobil bringt Martin Kraus von Köln aus religiöse Bücher in Gotteshäuser, Gemeindezentren und kirchliche Einrichtungen.

Martin Kraus' Lebensjahre in der Buchbranche haben bib­lisches Ausmaß: Seit fast 65 Jahren bewegt sich der pfiffige Sortimenter im religiösen Buchgeschäft. Mehr als 30 Jahre lang war er Verlagsvertreter bei Herder, zudem hat er in Köln mehrere Buchhandlungen gegründet und betrieben. "Ich habe das ganze Elend des katholischen Buchhandels miterlebt und die Bücher der katholischen Verlage aus den Regalen verschwinden sehen", erzählt er. In Köln führten die großen christlichen Verlage Benziger, Styria, Kösel und Herder einst alle eine eigene Universalbuchhandlung: Heute sind die Geschäfte verschwunden.

Kraus dagegen denkt keineswegs ans Aufhören. Im Gegenteil: Er möchte neue Vertriebsmodelle für das Segment der christlichen Bücher ausprobieren. Laetare Buchmobil heißt das Unternehmen, mit dem er Bücher in Gotteshäusern und kirchlichen Einrichtungen präsentiert. Das wichtigste Verkaufs­argument am Büchertisch ist dabei nicht missionarischer Eifer, sondern die gute Gelegenheit: Laetare bietet Remittenden und Restauflagen an, die nicht mehr preisgebunden und damit deutlich günstiger zu haben sind.

Kraus nutzt damit die Fülle der jährlichen Buchproduktion, bei der zwangsläufig auch hochwertige Titel nach einiger Zeit zur Ausschussware werden. "Schon als Verlagsvertreter habe ich mich vor dem Begriff Ramsch geekelt", erklärt Martin Kraus. "Da kündigt man begeistert seine Titel an, der Buchhandel nimmt sie gespannt auf, und wenn sie nicht gleich laufen, werden sie als Ramsch konnotiert." Das empfindet er geradezu als "sündhaft". Er will den Titeln die Chance auf ein zweites Leben geben.

Bereits seit 17 Jahren setzt Kraus auf den mobilen Buchhandel – alles begann mit Verkaufsstellen in Bildungshäusern. Mit Laetare Buchmobil versucht er nun, noch näher an die Zielgruppe heranzurücken. Warum heftet er sich bis hinter die Kirchentüren an die Fersen der Kunden – wo doch Jesus alle Händler aus der Synagoge geworfen hat? Solche Fragen quittiert Martin Kraus mit einem herzhaften Lachen: "Man muss mit der Botschaft an Hecken und Zäune gehen, und das sind heute nun mal die Kirchenmauern", antwortet er. "Das Medium Buch ist meiner Meinung nach noch nicht entdeckt worden als Werkzeug für pastorale Betreuung."
Die Bezahlung der Laetare-Bücher wird über eine Art Opferstock abgewickelt, manchmal gibt es dabei noch Durcheinander mit dem Geld für die Kerzen oder Heiligenbilder, die im gleichen Sektor verkauft werden. Sein "Kassensystem" muss Kraus also noch weiterentwickeln. Und das tut er, wie alles andere auch, mit Freude. Schließlich bedeutet das aus der Osterliturgie stammende Wort Laetare übersetzt: Freue dich. "Es gibt bei uns gleich zwei Gründe, sich zu freuen: dass die Bücher zum halben Preis angeboten werden, und dass wir die frohe Botschaft weiterbefördern", meint der Buchhändler.

Doch auch wenn die Laetare-Bücher in Kirchen stehen, handelt es sich bei ihnen keineswegs nur um Auslegungen von Bibeltexten oder Heiligenbiografien. Das Angebot umfasst alle Themen rund um Lebensführung und Gesellschaft. Der Firmensitz ist Köln, der Vertrieb befindet sich in Recklinghausen, wo in einer alten Mühle 300 Quadratmeter Lagerfläche zur Verfügung stehen; Kraus' engster Mitarbeiter ist ein Theologe und Jurist. An Spirit mangelt es also nicht.

Wie erfolgreich kann mobiler Buchhandel sein? Diese Frage treibt den Buchhändler derzeit auch in genereller Hinsicht um. "Da muss doch etwas drin sein für die ganze Buchbranche!", so Kraus. Er könnte sich zum Beispiel vorstellen, dass Sortimenter mit Kontakten zu Kirchengemeinden beider Konfessionen an sein mobiles Vertriebsmodell andocken – oder dass konfessionelle Verlage ihre zur Makulierung anstehenden Titel mit einem "Laetare"-Button neu in den Vertrieb bringen. "Oder warum arbeiten konfessionelle Verlage nicht mal zusammen, wie bei den Büchern der Neunzehn?", fragt Kraus mit Blick auf jenen losen Verbund von 19 Verlagen, die sich vor mehr als 50 Jahren auf Anregung von Sortimentern zusammengeschlossen hatten, um monatlich ein herausragendes Buch in bester Ausstattung zu einem günstigen Preis anzubieten.

Als er zum Schluss des Börsenblatt-Besuchs um ein Foto gebeten wird, sagt Kraus: "Oh, da werden aber viele alte Kollegen sagen: Mensch, lebt der Kraus denn immer noch?"