Meinung

Sonderkonditionen und »Schutzgelder«

24. Januar 2008
von Börsenblatt
Konzentration: Verlage dürfen nicht die Expansion der Filialisten finanzieren. Von Joachim Unseld.
Mit ihren Hunderten von Filialbetrieben verändern die Ketten – dem Buchhandelskunden kaum bewusst zwar, aber umso nachhaltiger – das öffentliche Bild deutscher Buchhandlungen und damit natürlich auch deren Angebot. Und es verändern sich die Umgangsweisen zwischen Verlagen und Handel. Die Ketten haben ohne Zweifel größte Verkaufskraft, allerdings insbesondere in die Spitzen hinein: Das Verkäufliche wird noch besser ver-kauft. Folge ist natürlich, dass Leser vermehrt das kaufen, was viele andere vor ihnen gekauft haben. Können wir Verlage angesichts dieser Entwicklung dann noch mit gutem Gewissen mit der sagen wir simplen Logik: »besserer Einverkauf, bessere Konditionen« weiter agieren? Gefährden wir nicht den Buchhandel insgesamt und damit die Breite beziehungsweise Tiefe unserer Programme? Einkaufsmacht kann erdrücken. So weit, wie es ein australisches Beispiel zeigt, wo ein Großfilialist Rechnungen für entgangene Umsätze an Verlage schickte und mit Auslistung drohte, würden diese »Rechnungen« nicht bezahlt werden. So weit wird es bei uns nicht kommen. Die Vorstöße der Filialisten um Konditionsverbesserungen aber, ob aus handelsrechtlicher und wettbewerbspolitischer Sicht fragwürdig oder nicht, sie werden kommen wie das Amen in der Kirche, soweit sie nicht schon längst da sind – und die betroffenen Verlage werden in dem Wettbewerb, in dem sie stehen, sich Gedanken um eine ausgeglichene Rabattpolitik machen müssen. Wir müssen uns die Frage stellen, wie viel »Schutzgeld« wir bereit sind zu bezahlen, um von den Großfilialisten künftig nicht ausgelistet zu werden, oder als kleinerer Marktteilnehmer überhaupt erst gelistet zu werden – wofür, für welche Leistung, wo Verlage doch längst an der Grenze des Möglichen angelangt sind. Welche Leistungen finanzieren wir eigentlich durch verbesserte Konditionen? Wir schütten doch auch weiter Wasser auf die Mühlen derjenigen, die diese Plus-Prozentpunkte nicht für den Erhalt und die Verbreitung des Kulturgutes Buch, in Leserorientierung und Beratung verwenden, oder in einen differenzierten Einkauf bei den Vertretern. Sonderkonditionen finanzieren letztlich weiter die Expansion der Ketten. Geschieht dies auf Kosten der klassischen, beratenden Standortbuchhandlungen, zu denen Verlage über Jahrzehnte persönliche Beziehungen aufgebaut haben? Diese meist mittelständischen Buchhandlungen, die die fachliche und personelle Kompetenz besitzen, die erklärungsbedürftige und langsame, aber sehr nachhaltige Ware Buch aktiv zu verkaufen? Solche Buchhandlungen jedoch sind in ihrem Ein- und Verkaufsverhalten echte, also aktive und transparente Partner der Verlage. Partner, die das Buch nicht nur als Ware behandeln, und den Leser nicht nur als Konsumenten, die sich so Stammkundschaft schaffen, orientieren können, beraten. Ein Muss für unsere Branche. Müssen wir nicht diese Funktionen des Buchhandels fördern? Gelingt es uns als Branche aber nicht, die Breite des Sortimentsbuchhandels in allen seinen Ausprägungen und damit die Vielfalt des Titelangebots am Leben zu erhalten, so führt die zunehmende Konzentration letztlich dazu, dass Verlage nach neuen, differenzierten Vertriebswegen suchen und sich überlegen müssen, wer eigentlich in Zukunft Bücher verkaufen wird. Der Text basiert auf einer Rede, gehalten bei der AG Publikumsverlage in München Wie kann die Breite des Sortimentsbuchhandels erhalten werden?