Meinung

Von der Netz-Streitkultur eines Branchenzweigs

17. Februar 2009
von Börsenblatt
Unter Buchhändlern und Verlegern geht es gewiss nicht immer harmonisch zu. Jedoch ist das nichts gegen die raue Streitkultur einiger Antiquare.
"Man muss schon ein dickes Fell haben, wenn man in diesem Gewerbe den Kopf aus dem Fenster steckt", schrieb vor einigen Tagen ein jüngerer Antiquar. Diese Aussage werden vermutlich viele bestätigen, die auch nur kurze Zeit an einem der einschlägigen Internet-Foren partizipieren oder etwa die Kommentare zu den Antiquariats-News auf boersenblatt.net regelmäßig lesen. Sachliche Diskussionen über Branchenthemen finden sich dort meist nur ansatzweise; gute Beiträge werden schnell atmosphärisch verdeckt. Immer wieder schlägt lebhafte Meinungs- und Streitfreude um in Aggression. Und dass jemand hergeht, wie auf boersenblatt.net kürzlich im Zusammenhang mit der neuen Ebay-Exportfunktion der Plattform Biblioman geschehen, und eine Position mit einem Zitat und einer längere Zeit zurückliegenden Meldung belegt – das kommt nicht oft vor. Vieles Wichtige geht so schlicht unter in tumultartigen Auseinandersetzungen ohne Ergebnis. Außer sinnloser Aufreibung und Entzweiung bleibt nichts übrig. Manche Diskussionsteilnehmer und bestimmte Argumentationszusammenhänge wirken für sich als rotes Tuch. Dass jemand zum Außenseiter oder sogar Sündenbock wird, weil die Gruppe es sich so einrichtet, diese Erkenntnis wird wenig reflektiert. Die Argumente liegen seit langem auf dem Tisch: "xy behauptet, für alle zu sprechen, aber…", "auf einer öffentlich zugänglichen Website…", "welches Bild des Branchenzweigs entsteht da bei Unbeteiligten?", "da ziehen sich doch alle vernünftigen Kollegen zurück…" oder "warum lasst ihr Anonymität überhaupt zu?" Dass in diesen Zugängen zur Problematik keine Lösung liegt, müsste inzwischen deutlich geworden sein. Ohne etwa unerquickliche Dinge beschönigen zu wollen (ja, es gibt umtriebige Kollegen, die nerven einfach überwiegend mit ihren Wiederholungen) – mehr Gelassenheit, Offenheit und Selbstkritik täte uns allen gut. Redaktionelle Eingriffe sind nur ein höchst ambivalentes Notmittel. Der Ruf nach höherschwelligen Zugängen zeugt nicht gerade von Selbstbewusstsein. Hat schon mal jemand ernsthaft über die Gegenstrategie – den möglichst offenen Diskussionszugang – nachgedacht? Ja, aber es ist nicht gut angekommen. Lässt sich alles wieder auf Null setzen? Wahrscheinlich nicht, selbst wenn man es sich wünschte. Hilft, wie ebenfalls jemand treffend schrieb, der persönliche Besuch im Laden oder auf einer Messe oder der Griff zum Telefonhörer? Das schon eher. Und vielleicht entwickelt sich irgendwann auch noch eine erträgliche Antiquariats-Streit- und Diskussionskultur im Netz? Björn Biester