Meinung

Ein Wort zum Sammeln, aus gegebenem Anlass

13. März 2009
von Börsenblatt
Völlig falsch ist es, anzunehmen, die Kultur habe einen Vorteil davon, dass alles hinter Schloss und Riegel in Bibliotheken, Archiven und dergleichen verstaut sei. Von Rainer Friedrich Meyer, Antiquar in Berlin.

Abgesehen von der Geldfrage, denn es reicht ja noch nicht einmal für die wichtigen unikalen Stücke, bliebe der (sichere!) Lagerraum und die Bearbeitung. Erst neulich hörte ich wieder von einem Dichternachlass, der seit mehr als zehn Jahren auf seine Bearbeitung wartet.

Es scheint mir typisch für Leute, die vieles in ihren Bannkreis ziehen wollen, dies dann weder bewältigen noch sicher aufbewahren zu können.

Angesichts der großen Verluste in den Kriegen, der kleineren durch Fehlrestauration, sinnlose Neubindung und unzulängliche Bewahrung, erscheint mir eine möglichst breite Streuung kultureller Güter wesentlich sinnvoller: so überlebt mehr.

Und: Kultur bleibt nur lebendig, wenn möglichst viele direkt und unmittelbar an ihr teilhaben, auch darum gehören die meisten wichtigen Bücher, Autografen etc. in den Handel, damit sie von Hand zu Hand gereicht werden, damit die überhaupt noch daran Interessierten an ihnen Vergangenheit wie Gegenwart miterfahren können und diese Erfahrung wie Kristallisationskeime ausstrahlen.

Bibliotheken und Archive strahlen nur eine mehr oder weniger gediegene, verbeamtete Langeweile aus. An ihnen wird sich unsere Kultur nicht erneuern.

Anmerkung der Redaktion: Wir übernehmen diesen Beitrag mit freundlicher Genehmigung aus dem Weblog des Autors (dort als Nachtrag zum 4. März):