Meinung

Urheberrecht: Lässigkeit wäre zu wenig

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Gegen Flatrate-Prediger hilft nur eine Diskussion über die Grundlagen kultureller Leistungen. Von Matthias Ulmer.
Die Frankfurter Konferenz zum Urheberrecht ist vorüber und die Initiatoren des Heidelberger Appells könnten sich beruhigt zurücklehnen. Was als Initiative einer Handvoll Beunruhigter begonnen hat, hat weite Kreise gezogen. Wir waren angetreten, um einer drohenden Entrechtung der wissenschaftlichen Autoren entgegenzutreten. Und um einer anderen, aber im Kern gleichartigen Entrechtung der Autoren und Verleger durch Google zu begegnen.
Heute haben wir die Zusage der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dass kein Eingriff in die Pu-blikationsfreiheit der Autoren gewollt ist. Und wir haben die Zusage des Justizministeriums, dass es sich mit seinen Mitteln der Entrechtung durch Google entgegenstellen wird. Die Konferenz hat zudem klarge-macht, dass auch öffentlich bezahlte Wissenschaftler freie Urheber sind, und dass einer Verlagstätigkeit der öffentlichen Hand verfassungsrechtlich sehr enge Grenzen gesetzt sind. Mehr an Klarstellung konnten wir nicht erhoffen.
Dennoch: Zum Zurücklehnen bleibt keine Zeit. Wir sind mit weiteren Themen konfrontiert, die unsere Aufmerksamkeit verlangen. Unter dem Schlagwort der Infor-mationsgesellschaft wurden in einer euphorisierten Stimmung Entwicklungen losgetreten, die erstaunlich wenig Widerstand gefunden haben. In Lissabon hat die EU Weichen gestellt, deren Auswirkungen nun kraftvoll an die Oberfläche drängen. Mehr Information für alle, das führe zu mehr Kreativität und so zu mehr Wirt-schaftswachstum. Eine simple Formel, deren Wahrheitsgehalt Buchhändlern alleine schon mit dem Begriff der Titelflut zweifelhaft erscheinen muss.
Wir haben unsere Zweifel daran nie formuliert. Es ist nun schwer, die zahlreichen Entwicklungen, die auf dem politischen Weg angestoßen wurden, in vernünftige Bahnen zu lenken. Ob es sich um Paragraf 52b, die Causa Darmstadt oder die Themen des Dritten Korbs der Urheberrechtsreform handelt, ob es um die Kulturflatrate geht oder das Großprojekt der Europeana, der Europäischen Digitalen Bibliothek – immer steht im Hintergrund der Gedanke: Man muss nur allen Bürgern den Zugang zu möglichst viel Information eröffnen, dann wird alles gut.
Dem zweifelhaften Grundgedanken eines Wirtschaftswachstums, das durch Informationsüberflutung ausgelöst wird, steht das Problem entgegen, dass die Inhalte, die man zugänglich machen will, Rechte­inhabern gehören. Um das zu lösen, wird der Kommunitarismus aus der Mottenkiste geholt: Die Gesellschaft habe das Recht, Urheber und Verleger an die Sozialbindung des Eigentums zu erinnern und damit den freien Zugang zu allen Inhalten zu fordern. Denkt man das weiter, kommt man zur Abschaffung einer Buchwirtschaft im heutigen Sinne. Nichts weniger fordern die Grünen und andere Parteien, wenn sie mit der Kulturflatrate eine "Neuordnung des Kulturbetriebs" anstreben.
Wir können uns also nicht bequem zurücklehnen und ein gutes Buch lesen. Wir müssen auch im Wettbewerb der Ideen und Argumente bestehen. Wir müssen den Piraten, Kulturbefreiern und anderen Fantasten mit unserem Wissen über die Bedingungen der Entstehung von Kultur begegnen und für den richtigen Weg kämpfen. Pluralismus erfordert Engagement derer, die etwas zu verlieren haben. Und das haben wir, gemeinsam mit unseren Autoren. Deshalb dürfen wir uns nicht zurücklehnen, deshalb dürfen wir das nicht dem Zufall einer Handvoll Appell-Initiatoren überlassen, sondern müssen uns alle engagieren, jeder nach seinen Möglichkeiten.