Meinung

"Sehr geehrter Buchfreund-Händler"

7. Oktober 2009
von Börsenblatt
Überlegungen zum Thema Datenhoheit sollten im Antiquariatsbuchhandel endlich den gebührenden Stellenwert erhalten. Ein Diskussionsanstoß aus Anlass des "Umsteiger-Angebots exklusiv für Buchfreund-Händler".

Zahlreiche Antiquare und Gebrauchtbuchhändler haben gestern eine E-Mail des Würzburger Softwareanbieters w + h erhalten. Inhalt: ein "exklusives" Angebot an die auf der von w + h betriebenen Plattform Buchfreund vertretenden Anbieter, auf die von w + h vertriebene Software whBOOK umzusteigen, da die Nichtnutzung großen zusätzlichen Aufwand für den Plattform-Betreiber bedeute.

Verbunden ist das aktuelle Angebot mit zugegeben vorteilhaften Konditionen. Und dass whBOOK die Alltagsarbeit des Antiquars rationalisiert und überhaupt vereinfacht, ist ja auch kaum zu bestreiten. Händlern, die von anderen Softwareanbietern umsteigen, werden sogar bis zu zwölf Monate lang die sonst obligatorischen Kosten aus einem "Wartungsvertrag" erlassen.

Man könnte die Angelegenheit auf sich beruhen lassen, sich vielleicht über die grafische Gestaltung der w + h-E-Mail mokieren und dann feststellen, dass jeder Mobiltelefonkonzern seinen Kunden rigidere Verträge vorsetzt. In vorliegenden Fall liegen die Dinge aber doch etwas anders. Ein spezialisiertes Softwareunternehmen versucht, sein Angebot offensiv in einem kleinen Antiquariatsmarkt zu etablieren – und ist damit erfolgreich, nicht zuletzt dank einer Kooperation zwischen w + h und ZVAB. Und diese starke Stellung ("Sie erwerben das Programm, das bereits heute von den meisten Antiquaren im deutschsprachigen Raum erfolgreich eingesetzt wird") sollen die Antiquare weiter befestigen, indem sie, so heißt es in der gestrigen E-Mail, "Teil dieser Gemeinschaft" werden? Was sind eigentlich die Werte dieser "Gemeinschaft"?

Etwas anderes kommt hinzu. Die Datenströme aller Nutzer der Online-Version fließen – wie im übrigen bei allen Antiquariatssoftwareanbietern – über deren eigene Server – Rohstoff für Justierung und Ausbau des eigenen Angebots. Die Interviewaussage des w + h-Geschäftsführers Frank Holzapfel, sich für die "Erhaltung der Vielfältigkeit von Verkaufsplattformen" einzusetzen, wirkt dann zumindest ambivalent.

Fazit? Über die Nutzung der w + h-Angebote muss jeder selbst entscheiden, genauso wie über das Einstellen auf dieser oder jener Plattform. Das klingt vielleicht banal, ist es aber nicht. Dahinter steckt nämlich noch eine weitere Forderung: Ein Mindestmaß an eigener Datenbank- und überhaupt Softwarekompetenz scheint für Antiquare heute unabdingbar. Und Überlegungen über Datenhoheit sollten in diesem Branchenzweig, der sich in weiten Teilen zum Online-Handel entwickelt hat, endlich den gebührenden Stellenwert erhalten.

Björn Biester