Meinung: Crowdfunding

Subskription 2.0

16. Juni 2011
von Börsenblatt
Bücher zu produzieren, ohne zu wissen, ob sie jemand lesen will, ist irrational. Von Andrea Kamphuis.

Zwei Jahrestage liegen hinter uns: Am 28. April 2009 begann mit dem Launch der US-Plattform Kickstarter die Ära des modernen Crowdfunding, einer Finanzierungsmethode, bei der zahlreiche Fans, Mikrokreditgeber oder Kleinsponsoren die Verwirk­lichung von Kulturprojekten ermöglichen. Heute bewegt Kickstarter monatlich über sieben Millionen Dollar; Verlagsprojekte erhielten in zwei Jahren gut 2,7 Millionen Dollar Unterstützung.

Am 16. Mai 2010 endete der Versuch des Argon Verlags, binnen dreier Wochen 9 000 Euro von Cory-Doctorow-Fans einzusammeln, um das Hörbuch Little Brother professionell einzuspielen und unter einer Creative-Commons-Lizenz »freizusetzen«. Über das Scheitern des Experiments wurde im Blog des Verlags lebhaft diskutiert. Als mutmaßliche Ursachen wurden die sehr kurze Finanzierungsfrist, die Festlegung auf PayPal als Bezahlmethode und die mangelnde Verankerung des Verlags in der Creative-Commons-Szene ausgemacht – nichts, was sich beim nächsten Versuch nicht ändern ließe.

Nur hat es seither kaum ernsthafte Versuche gegeben – abgesehen von euryclia, einer pfiffigen Subskriptionsplattform: Auf deutschen Crowdfunding-Plattformen wie mySherpas oder startnext muss man überzeugende Buchprojekte mit der Lupe suchen. Dabei hätte die Verlagsbranche allen Grund, ihre zutiefst irrationale Produktionsweise zu hinterfragen: Mit irrsinnigem finanziellem Aufwand, Abertausenden von Arbeitsstunden und viel Herzblut werden Bücher gemacht, die dann wie Blei in den Regalen liegen, weil die Verlage die Zielgruppen mit ihren Marketingmethoden nicht erreichen.

So muss dann ein erfolgreicher Titel zahlreiche Flops mittragen. Damit nicht genug: Auch freie Verlagsmitarbeiter subventionieren mit ihren stagnierenden oder sinkenden Honoraren unfreiwillig die Fehlplanungen ihrer Auftraggeber. Das muss doch rationaler gehen!

Ja, es geht rationaler, dem Social Web sei Dank: Beim Crowdfunding sind Bedarfs­ermittlung, Finanzierung und Promotion eng verzahnt. Der Aufbau einer Unterstützer-Community ist, wie ich von der Kampagne für mein Sachbuch »Friendly Fire« weiß, alles andere als einfach, aber was hätten wir von einem tollen Buch, das kaum jemand lesen will?

Zwei Besonderheiten zeichnen Crowdfunding-Kampagnen aus: Projekte werden nur realisiert, wenn das Finanzierungsziel vollständig erreicht wird; sonst fließt das Geld an die Unterstützer zurück. Und die bereits zugesagten Gelder üben eine Signalwirkung auf weitere potenzielle Unterstützer aus; so trennt sich die Spreu vom Weizen.

Zustande kommen also nur solche Projekte, für die sich genug Interessenten finden; alle anderen Vorhaben werden rechtzeitig beerdigt. Ein früher Buchtod ist auch nicht schmerzlicher als der Anblick überquellender Lager und Altpapiercontainer; er ist ökologisch sinnvoller, schont die Nerven aller Beteiligten und den Geldbeutel des Verlegers.

Kürzlich hörte ich einen Einwand: Crowdfunding sei für die ersten Verlage, die sich ihre Nische sichern, ein interessantes Modell, aber es skaliere nicht. Mag sein. Aber was skaliert schon in dieser Branche? Finden wir heraus, wie groß die Nischen in der Summe sind.