Meinung von Verlegern und Shop-Betreibern

Was dürfen E-Books kosten? Teil 2: Amazon und die Zukunft

19. November 2009
von Börsenblatt
Amazon setzt mit 9,99 Dollar eine niedrige Marke für E-Books. Was Verleger und Sitebetreiber hierzulande von dieser Strategie halten und wie sie die künftigen Entwicklungen beim digitalen Pricing einschätzen.

Viele Verlage reagieren auf Amazons Niedrigpreispolitik, indem sie Bücher erst nach dem Erscheinen als Hardcover als E-Book bei Amazon anbieten. Vertun die Verleger hier eine Chance?
Ralf Müller, kaufmännischer Geschäftsführer Droemer Knaur: Jein, es ist sicherlich richtig das Preisdumping von Amazon nicht nachhaltig zu unterstützen, andererseits entwickelt niemand so nachhaltig den E-Book-Markt wie Amazon und Verlage sollten diese Entwicklung unterstützen.

Michael Justus, kaufmännischer Geschäftsführer S.Fischer Verlag: Die Reaktion der amerikanischen Verlage ist schlicht aus der Not geboren. Sollte eine große Zahl von Käufern dem Hardcover das billigere E-Book vorziehen, können die Entstehungskosten der Neuerscheinung (vor allem die Honorarvorschüsse für die Autoren) nicht mehr erwirtschaftet werden. Dass hierdurch eine Chance vertan wird, glaube ich nicht. Es spricht nichts für die Annahme, dass E-Book-Ausgaben nachhaltig für eine Umsatzsteigerung im Geschäft mit Texten sorgen können.

Nach Meinung einiger Analysten ist das kostengetriebene Pricing bei E-Books eine Todsünde. Viel mehr sollte der Preis hergenommen werden, die Kunden bereit sind zu zahlen. Darum herum muss der Verlag ein Geschäftsmodell bauen. Wie sehen Sie das?
Ralf Müller:
Absolut korrekt. Trotzdem muss ein Verlag auch 2010 überleben. Solange der Ebook-Markt sich auf einem Niveau von weniger als 2 Prozent des Gesamtumsatzes abspielt, ist die aktuelle Preisorientierung sicherlich noch tolerierbar. Sobald sich aber ein Massenmarkt herausbildet, wird es nur noch über einen eigenen E-Book-Preis gehen. Ob der höher oder niedriger als der Printpreis sein wird, steht heute noch nicht fest. Job der Verlage ist es aber auf jeden Fall, den Kunden zu erklären, warum sie für die dann gekauften Leistungen bezahlen sollen.

Michael Justus: Solche "Analysten" argumentieren kurzsichtig, widersprüchlich und unredlich. Wer würde auf die Idee kommen, in einer Umfrage die Frage "Sollten Bücher Ihrer Meinung nach eher billiger oder eher teurer verkauft werden?" zu stellen und dann, wenn - wie zu erwarten - die Mehrheit sich für billigere Bücher ausspricht, achselzuckend seine Preise zu senken?

Kurzsichtig ist die Forderung "E-Book = billig", weil sie auch für die Zukunft annimmt, dass E-Books dauerhaft so primitiv bleiben werden wie zur Zeit. Werden sie aber nicht. Bei E-Book-Versionen amerikanischer Lehrbücher ist Multimedia jetzt schon Standard. Die Produktionskosten übersteigen die Herstellungskosten gedruckter Bücher dann um ein Vielfaches. Wenn wir jetzt die Erwartung nähren, elektronische Buchausgaben könnten grundsätzlich billiger sein als gedruckte, verbauen wir uns den Weg in die Zukunft.

Widersprüchlich ist die o.g. Forderung, weil einerseits prognostiziert wird, die nachwachsende Generation werde sowieso nicht mehr auf Papier, sondern nur noch an Bildschirmen lesen, und andererseits ein auf hohem Niveau stabiles Print-Geschäft angenommen wird, das das E-Publishing-Geschäft quersubventionieren könne. Das passt nicht zusammen.

Und unredlich ist es, Verlagen zum Ausbau eines bei niedrigem Preisniveau dauerhaft defizitären Geschäftsfeldes zu raten und an der Bereitschaft hierzu deren Zukunftsfähigkeit zu messen.

Werner-Christian Guggemos, Geschäftsführer Ciando: Die Verlage werden kurzfristig sicher versuchen, die Preise für E-Books an die Printpreise anzugleichen, um sich im rasant wachsenden Markt zu positionieren. Mittelfristig wird sich diese Position aber nicht halten lassen. Ich erwarte schon bald einen schrittweisen Preisverfall, der auch durch die kostenlosen Angebote genährt wird.

Ronald Schild, Geschäftsführer MVB: Ich sehe das genau so, der Preis eines E-Books muss dem Leser gefallen. Dann sind sie auch bereit ihn zu zahlen und suchen sich ihr Angebot nicht in  illegalen Tauschbörsen. Verlage müssen Preismodelle finden, die Attraktivität für den Leser mit den eigenen finanziellen Zielen verbinden. Das muss kein Widerspruch sein: US-Verlage berichten durchaus von dem Phänomen, dass niedrigere E-Book-Preise zu einem höheren Gesamtumsatz führen.

Was wird sich Ihrer Meinung nach bei E-Book-Pricing in nächster Zeit tun?
Per Dalheimer, Geschäftsführer libri.de: Es ist zu befürchten, dass Verlage sehr unterschiedliche Preisstrategien verfolgen und damit eine Konfusion bei Endkunden entsteht. Zu hoffen ist, dass es zu einer einheitlichen Preislogik - bezogen auf den jeweiligen Abstand zwischen dem Printtitel und dem elektronischen Buch - kommt. 

Ronald Schild: Es werden sich schnell Preispunkte heraus kristallisieren, über denen E-Books nur noch schwer verkäuflich sind. Um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und auch um der Piraterie effizient zu begegnen, sollten diese Erkenntnisse schnell umgesetzt werden.