Missstände beim Preisreduzierten Mängelexemplar

"Glaubwürdigkeit der Preisbindung wird gefährdet"

6. Juli 2015
von Börsenblatt
Preisreduzierte Mängelexemplare, die ohne sichtbare Mängel verkauft werden − also eigentlich der Buchpreisbindung unterliegen. Ein Ärgernis, das zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten geführt hat. Ein Lehrstück von Dieter Wallenfels.

Bü­cher, die auf­grund ei­ner Be­schä­di­gung oder ei­nes sons­ti­gen Feh­lers als Män­ge­le­xem­plar ge­kenn­zeich­net sind, un­ter­lie­gen nicht der Preis­bin­dung. So steht es in § 7 Ab­satz 1 Nr. 4 BuchPrG. Im Ein­gangs­be­reich vie­ler Buch­hand­lun­gen fin­den sich sta­pel­wei­se vor al­lem Ta­schen­bü­cher, die zwar die Kenn­zeich­nung "preis­re­du­zier­tes Män­gelexemplar" tra­gen, aber kei­nes­wegs Män­gel auf­wei­sen. Ein Är­ger­nis, das zu zahl­rei­chen Rechts­strei­tig­kei­ten ge­führt hat, bei de­nen im Er­geb­nis im­mer fest­ge­stellt wur­de, dass ver­lags­neue Bü­cher auch dann, wenn sie als Män­ge­le­xem­plar ge­kenn­zeich­net sind, der Preis­bin­dung un­ter­lie­gen und dass ei­ne sol­che Kenn­zeich­nung al­lei­ne sie nicht zum Män­ge­le­xem­plar macht. Ge­än­dert hat sich in der Pra­xis we­nig. Der Kun­de greift gern zu, der Wett­be­wer­ber, der das Buch in dem glei­chen Zu­stand, aber oh­ne den Stem­pel zum La­den­preis ver­kauft, är­gert sich. Er beauf­tragt, so die­ser Ta­ge ge­sche­hen, ei­ne Rechts­an­walts­kanz­lei, Test­käu­fe vor­zu­neh­men und drei Händ­ler, die über­wie­gend im Le­bens­mit­tel­ge­schäft tä­tig sind, ab­zu­mah­nen. Die Händ­ler sind über­rascht und ver­wei­sen da­rauf, dass sie die Bü­cher, so, wie sie sind, über Rack­job­ber be­zogen und im Ver­trau­en da­rauf un­ter Preis ver­kauft ha­ben, dass de­ren Zu­si­che­rung, es han­de­le sich um preis­bin­dungs­freie Wa­re, stimmt.

Die Händ­ler be­schwe­ren sich auch bei den be­trof­fe­nen Ver­la­gen über die ih­nen aus ih­rer Sicht zu Un­recht zu­ge­stell­ten Ab­mah­nun­gen. Ei­ner der Ver­la­ge rea­giert über­ra­schend: Er mahnt sei­ner­seits die Buch­hand­lung, die die Test­käu­fe in Auf­trag ge­ge­ben hat, ab und droht mit ei­ner ne­ga­ti­ven Fest­stel­lungs­kla­ge, falls die Buch­hand­lung nicht von der Be­haup­tung Ab­stand neh­me, dass es sich nicht um ech­te Män­ge­le­xem­pla­re han­de­le. Be­grün­dung: Im Ver­lag wer­de je­des ein­zel­ne Bu­che­xem­plar sorg­fäl­tig auf Män­gel un­ter­sucht. Es wür­den aus­schließ­lich sol­che Bü­cher als Män­ge­le­xem­plar ge­kenn­zeich­net, die äu­ßer­lich er­kenn­ba­re Schä­den, z. B. ab­ge­scheu­er­te Ein­bän­de, Be­schmut­zun­gen durch häu­fi­ges An­fas­sen, Fle­cken und Trans­port­schä­den, auf­wei­sen. Den ab­ge­mahn­ten Händ­lern teil­te der Ver­lag mit, es be­stün­de kei­ne Ver­an­las­sung, den Wei­ter­ver­kauf der be­an­stan­de­ten Bü­cher zu un­ter­las­sen.

In die­ser Si­tua­tion wen­det sich die Buch­hand­lung, die die Test­käu­fe ver­an­lasst hat, an die Preis­bin­dungs­treu­hän­der mit der Bit­te um Un­ter­stüt­zung. Die­se las­sen sich die bei den Test­käu­fen er­wor­be­nen Bü­cher zu­schi­cken. Sie stel­len fest: Es han­delt sich um äl­te­re, aber auch um ei­ni­ge brand­neue Ti­tel. Ir­gend­wel­che Män­gel sind nicht er­kenn­bar. Da­mit ist die Rechts­la­ge klar: Ei­ne Aus­nah­me von der Preis­bin­dung liegt nicht vor, die Bü­cher mit der un­zu­tref­fen­den Be­zeich­nung als "Män­ge­le­xem­pla­re" hät­ten nicht un­ter La­den­preis ver­kauft wer­den dür­fen.

Die Preis­bin­dungs­treu­hän­der mah­nen nun ih­rer­seits die be­tei­lig­ten Händ­ler mit dem Rand­sor­ti­ment Bü­cher ab. Dies in der stil­len Ah­nung, dass die be­trof­fe­nen Ver­la­ge, die ja ih­re Man­dan­ten sind, an der Wei­ter­ver­fol­gung der An­ge­le­gen­heit nur ein be­grenz­tes In­te­res­se ha­ben. Ein Weg­gu­cken wür­de aber ih­re Glaub­wür­dig­keit ge­gen­über dem Buch­han­del ge­fähr­den. Zu­dem ha­ben sie den aus­drück­li­chen, schon vor Jah­ren er­teil­ten Auf­trag des Bran­chen­par­la­ments des Bör­sen­ver­eins, mit al­lem Nach­druck ge­gen den un­zu­läs­si­gen Ver­kauf von Pseu­do-Män­ge­le­xem­pla­ren vor­zu­ge­hen. Die an­ge­schrie­be­nen Händ­ler rea­gie­ren wie er­war­tet: Sie ver­wei­sen auf schrift­li­che Be­stä­ti­gun­gen ih­rer Lie­fe­ran­ten, dass es sich um ech­te Män­ge­le­xem­pla­re han­de­le. Die Preis­bin­dungs­treu­hän­der er­hal­ten aus die­sem Lie­fe­ran­ten­kreis Post mit dem Hin­weis, dass man die Bü­cher von ei­nem an­de­ren Lie­fe­ran­ten er­halten ha­be, de­m wie­de­rum von den Ver­la­gen be­stä­tigt wor­den sei, die Bü­cher sei­en tat­säch­lich man­gel­haft. Ei­ner die­ser Lie­fe­ran­ten über­zeugt sich per­sön­lich in der Kanz­lei der Treu­hän­der vom Zu­stand der Bü­cher und muss­ wohl ein­se­hen, dass ein mit die­sem Fall be­fass­tes Ge­richt Män­gel, die den Ver­kauf zum La­den­preis aus­schlie­ßen wür­den, nicht er­kenn­en könn­te. An der ge­for­der­ten Un­ter­las­sungs­er­klä­rung füh­re wohl kein Weg vor­bei.

Die Preis­bin­dungs­treu­hän­der sei­en aber drin­gend ge­be­ten, mög­lichst scho­nend mit den ab­ge­mahn­ten Fir­men um­zu­ge­hen, da an­dern­falls sol­che Ne­ben­märk­te vor­sichts­hal­ber auf den Han­del mit Bü­chern ver­zich­ten könn­ten, was wie­de­rum für die im mo­der­nen An­ti­qua­riat tä­tigen Händ­ler­fir­men ver­häng­nis­vol­le Fol­gen hät­te.

Ge­dul­dig er­klä­ren die Preis­bin­dungs­treu­hän­der noch­mals den ab­ge­mahn­ten Händ­lern, das Vertrau­en auf den Lie­fe­ran­ten spie­le nur ei­ne Rol­le beim Ver­schul­den. Auf das kom­me es aber nach der ge­setz­li­chen Re­ge­lung in § BuchPrG nicht an, die blo­ße Rechts­wid­rig­keit ge­nü­ge beim Ver­kauf un­ter La­den­preis zur Durch­set­zung ei­ner Un­ter­las­sungs­ver­pflich­tung. Da­rü­ber be­steht im kol­le­gia­len Ge­spräch zwi­schen den Preis­bin­dungs­treu­hän­dern und den An­wäl­ten, die die Händ­ler mitt­ler­wei­le be­auf­trag­t ha­ben, Über­ein­stim­mung.

Am En­de ge­ben die ab­ge­mahn­ten Fir­men die ver­lang­ten Un­ter­las­sungs­er­klä­run­gen ab.

Die Preis­bin­dungs­treu­hän­der be­dan­ken sich bei der Buch­hand­lung, die den Stein ins Rol­len ge­bracht, die Test­käufe vor­ge­nom­men und um­fang­rei­che ei­des­statt­li­che Ver­si­che­run­gen über den Her­gang zur Ver­fü­gung ge­stellt hat, für ihr hoch zu lo­ben­des En­ga­ge­ment beim Ver­such, Pflö­cke ge­gen die Aus­brei­tung ei­nes Miss­stan­des ein­zu­schla­gen, der die Glaub­wür­dig­keit der Preis­bin­dung in sehr auf­fäl­li­ger Wei­se ge­fähr­det. Ob sich aber et­was än­dern wird?

Dieter Wallenfels, Preisbindungstreuhänder der deutschen Verlage.