Bücher, die aufgrund einer Beschädigung oder eines sonstigen Fehlers als Mängelexemplar gekennzeichnet sind, unterliegen nicht der Preisbindung. So steht es in § 7 Absatz 1 Nr. 4 BuchPrG. Im Eingangsbereich vieler Buchhandlungen finden sich stapelweise vor allem Taschenbücher, die zwar die Kennzeichnung "preisreduziertes Mängelexemplar" tragen, aber keineswegs Mängel aufweisen. Ein Ärgernis, das zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten geführt hat, bei denen im Ergebnis immer festgestellt wurde, dass verlagsneue Bücher auch dann, wenn sie als Mängelexemplar gekennzeichnet sind, der Preisbindung unterliegen und dass eine solche Kennzeichnung alleine sie nicht zum Mängelexemplar macht. Geändert hat sich in der Praxis wenig. Der Kunde greift gern zu, der Wettbewerber, der das Buch in dem gleichen Zustand, aber ohne den Stempel zum Ladenpreis verkauft, ärgert sich. Er beauftragt, so dieser Tage geschehen, eine Rechtsanwaltskanzlei, Testkäufe vorzunehmen und drei Händler, die überwiegend im Lebensmittelgeschäft tätig sind, abzumahnen. Die Händler sind überrascht und verweisen darauf, dass sie die Bücher, so, wie sie sind, über Rackjobber bezogen und im Vertrauen darauf unter Preis verkauft haben, dass deren Zusicherung, es handele sich um preisbindungsfreie Ware, stimmt.
Die Händler beschweren sich auch bei den betroffenen Verlagen über die ihnen aus ihrer Sicht zu Unrecht zugestellten Abmahnungen. Einer der Verlage reagiert überraschend: Er mahnt seinerseits die Buchhandlung, die die Testkäufe in Auftrag gegeben hat, ab und droht mit einer negativen Feststellungsklage, falls die Buchhandlung nicht von der Behauptung Abstand nehme, dass es sich nicht um echte Mängelexemplare handele. Begründung: Im Verlag werde jedes einzelne Buchexemplar sorgfältig auf Mängel untersucht. Es würden ausschließlich solche Bücher als Mängelexemplar gekennzeichnet, die äußerlich erkennbare Schäden, z. B. abgescheuerte Einbände, Beschmutzungen durch häufiges Anfassen, Flecken und Transportschäden, aufweisen. Den abgemahnten Händlern teilte der Verlag mit, es bestünde keine Veranlassung, den Weiterverkauf der beanstandeten Bücher zu unterlassen.
In dieser Situation wendet sich die Buchhandlung, die die Testkäufe veranlasst hat, an die Preisbindungstreuhänder mit der Bitte um Unterstützung. Diese lassen sich die bei den Testkäufen erworbenen Bücher zuschicken. Sie stellen fest: Es handelt sich um ältere, aber auch um einige brandneue Titel. Irgendwelche Mängel sind nicht erkennbar. Damit ist die Rechtslage klar: Eine Ausnahme von der Preisbindung liegt nicht vor, die Bücher mit der unzutreffenden Bezeichnung als "Mängelexemplare" hätten nicht unter Ladenpreis verkauft werden dürfen.
Die Preisbindungstreuhänder mahnen nun ihrerseits die beteiligten Händler mit dem Randsortiment Bücher ab. Dies in der stillen Ahnung, dass die betroffenen Verlage, die ja ihre Mandanten sind, an der Weiterverfolgung der Angelegenheit nur ein begrenztes Interesse haben. Ein Weggucken würde aber ihre Glaubwürdigkeit gegenüber dem Buchhandel gefährden. Zudem haben sie den ausdrücklichen, schon vor Jahren erteilten Auftrag des Branchenparlaments des Börsenvereins, mit allem Nachdruck gegen den unzulässigen Verkauf von Pseudo-Mängelexemplaren vorzugehen. Die angeschriebenen Händler reagieren wie erwartet: Sie verweisen auf schriftliche Bestätigungen ihrer Lieferanten, dass es sich um echte Mängelexemplare handele. Die Preisbindungstreuhänder erhalten aus diesem Lieferantenkreis Post mit dem Hinweis, dass man die Bücher von einem anderen Lieferanten erhalten habe, dem wiederum von den Verlagen bestätigt worden sei, die Bücher seien tatsächlich mangelhaft. Einer dieser Lieferanten überzeugt sich persönlich in der Kanzlei der Treuhänder vom Zustand der Bücher und muss wohl einsehen, dass ein mit diesem Fall befasstes Gericht Mängel, die den Verkauf zum Ladenpreis ausschließen würden, nicht erkennen könnte. An der geforderten Unterlassungserklärung führe wohl kein Weg vorbei.
Die Preisbindungstreuhänder seien aber dringend gebeten, möglichst schonend mit den abgemahnten Firmen umzugehen, da andernfalls solche Nebenmärkte vorsichtshalber auf den Handel mit Büchern verzichten könnten, was wiederum für die im modernen Antiquariat tätigen Händlerfirmen verhängnisvolle Folgen hätte.
Geduldig erklären die Preisbindungstreuhänder nochmals den abgemahnten Händlern, das Vertrauen auf den Lieferanten spiele nur eine Rolle beim Verschulden. Auf das komme es aber nach der gesetzlichen Regelung in § BuchPrG nicht an, die bloße Rechtswidrigkeit genüge beim Verkauf unter Ladenpreis zur Durchsetzung einer Unterlassungsverpflichtung. Darüber besteht im kollegialen Gespräch zwischen den Preisbindungstreuhändern und den Anwälten, die die Händler mittlerweile beauftragt haben, Übereinstimmung.
Am Ende geben die abgemahnten Firmen die verlangten Unterlassungserklärungen ab.
Die Preisbindungstreuhänder bedanken sich bei der Buchhandlung, die den Stein ins Rollen gebracht, die Testkäufe vorgenommen und umfangreiche eidesstattliche Versicherungen über den Hergang zur Verfügung gestellt hat, für ihr hoch zu lobendes Engagement beim Versuch, Pflöcke gegen die Ausbreitung eines Missstandes einzuschlagen, der die Glaubwürdigkeit der Preisbindung in sehr auffälliger Weise gefährdet. Ob sich aber etwas ändern wird?
Dieter Wallenfels, Preisbindungstreuhänder der deutschen Verlage.