Mitarbeiterteilhabe bei Umstrukturierungen

Jede Stimme zählt

16. August 2016
von Sabine Schmidt
Wenn es im Gebälk eines Unternehmens knirscht, kann das Zauberwort Partizipation heißen. Denn anstrengende Veränderungen werden Mitarbeiter nur akzeptieren, wenn sie sich aktiv einbringen können.

Neu ist nicht, was heute "Change" heißt und gern umschrieben wird mit Floskeln wie "Fit for Future" oder "Drive for Excellence". Längst hat sich herumgesprochen, dass alles fließt und dass rostet, wer rastet: Unternehmen wie auch Mitarbeiter müssen sich verändern, um wieder erfolgreich werden oder bleiben zu können. Neu ist aber der Druck, den sie spüren, ausgelöst nicht zuletzt durch Globalisierungs­prozesse sowie das Internet und durch das Tempo, in dem Veränderungen passieren sollen.
Das ist nicht nur anstrengend, sondern in vielen Fällen auch erfolglos: "Rund 70 Prozent aller Veränderungsprozesse in ­Organisationen scheitern", sagen die Autoren des Buchs "Der ganz normale Change-Wahnsinn" (Murmann, 232 S., 30 Euro). Es liegt an menschlichen Faktoren, erklären sie; daran, dass es nicht gelingt, die Mitarbeiter zu überzeugen.

Mitarbeiter mitnehmen 
Oft sind Appelle zu allgemein formuliert und klingen hohl: "Wir müssen kundenorientierter werden" oder "Wir müssen mehr auf Qualität achten". Das Problem mit den Phrasen entsteht nicht erst beim Sprechen, sondern schon beim Denken. Selbst denen, die Veränderungen anstoßen wollen, ist vielfach nicht klar, wohin es konkret gehen soll, berichten die Autoren, die für ihr Buch 60 Interviews mit Führungskräften ausgewertet haben. Aber selbst wenn klar ist, wohin es gehen soll, gelingt es oftmals nicht, die Mitarbeiter auf diesem Weg mitzunehmen. Bei ihnen kommen die Gründe und die Notwendigkeit für Veränderungen einfach nicht an. Sie sind nicht wirklich mit im Boot, lassen sich deshalb nur mitziehen oder versuchen schlimmstenfalls sogar, Prozesse zu blockieren.
Damit der Wandel dennoch gelingen kann, plädieren die Autoren für Partizipation. Das bedeutet nicht, dass alle alles gemeinsam entscheiden. "Partizipation heißt auch nicht Basisdemokratie", betonen sie. Gemeint ist etwas, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, nämlich: "alle Menschen im Unternehmen mit ihren Erfahrungen und Ideen ernst zu nehmen". Veränderungsprozesse gelingen nur mit echtem Teamgeist, lautet die These. Dem steht teilweise aber das Paradigma der derzeit herrschenden Führungslehre entgegen: Man brauche einzelne starke und charismatische Führungspersönlichkeiten, die wie Leuchttürme für die breite Masse der Akteure wirken.
Das jedoch geht an den Wünschen vieler Mitarbeiter und auch an Veränderungen im Arbeitsmarkt vorbei: "Gerade die jungen Talente, die heute Universitäten und Bildungsstätten Richtung Arbeitswelt verlassen, suchen meist ein Umfeld, in dem sie sich aktiv einbringen und das Unternehmen sowie dessen Erfolg mitgestalten können."

Lernprozess für alle 
Der Boss, der sagt, wo es langgeht, und sich nicht um die Erfahrungen und Einschätzungen seiner Mitarbeiter schert, war gestern – oder sollte es zumindest sein. ­Zukunftsfähigkeit geht anders und muss nicht einmal mehr erfunden werden. Wie es gehen könnte, haben viele schon erklärt. Aber oft muss der Weg dorthin, das betonen die Autoren des Buchs zum "ganz normalen Change-Wahnsinn" wie andere ­Experten auch, erst noch akzeptiert und gelernt werden.