Mr. Books und Mrs. Paper 2017

Präsentationen mit Charakter

2. Februar 2017
von Börsenblatt
Bücher im Laden verführerisch zu präsentieren: Das funktioniert aus Sicht von Non-Book-Expertin Angelika Niestrath am besten, wenn man die Sache unverkrampft angeht und Platz für Eigensinn bleibt. Dazu: ein Blick auf die Trends der PBS-Leitmesse Paperworld.

Zukunft entsteht im Einzelhandel durch Kundenorientierung oder gar nicht: Das ist die gängige Lehrmeinung, die Angelika Niestrath zwar nicht anzweifelt, aber auf eigene Weise interpretiert. Ihr Credo: Statt alles immer bis ins Kleinste zu planen, und auch gar nichts anderes mehr zuzulassen, sollten sich Händler wieder stärker auf sich selbst besinnen, die Sache lockerer angehen, kreativ und spielerisch sein. "Die einzige Chance, die Inhaber kleinerer Läden haben, besteht aus meiner Sicht darin, Persönlichkeit zu entwickeln und das Geschäft zu einem echten Treffpunkt zu machen", glaubt sie. Und ist überzeugt: "Ohne Spontaneität wird das nicht gehen."


Was sie damit meint, ließ sich vom 28. bis zum 30. Januar im Rahmen ihrer Sonderausstellung "Mr. Books and Mrs. Paper" beobachten, die sie für die PBS-Leitmesse Paperworld in Frankfurt am Main organisierte (Halle 5.1). Auf den ersten Blick herrschte hier zwar business as usual – doch schon der zweite machte den Konzeptwechsel deutlich: Niestrath will Händler dazu ermuntern, Kunden nicht nur das Erwartbare und Gewünschte zu liefern, sondern sie mehr denn je – durch eine persönliche Warenpräsentation – zu überraschen. "Folgen Sie ruhig mal einer Laune, einem persönlichen Gefühl, Ihren eigenen Impulsen", riet Niestrath Buchhändlern während des Rundgangs. "Das ist authentischer. Sie werden sehen, wie der Funke auf Ihre Kunden überspringt."

Insgesamt hatte sie für die diesjährige Paperworld 18 kleine Themenwelten geschaffen, bei denen beides zusammenging: aktuelle Trends und persönliche Interessen. Den "Männertisch" (Thema: Hide­aways, Zufluchtsorte) brachte sie zum Beispiel in die Ausstellung, weil sie ein Buch über Jack London so begeistert hatte, und den "Trauertisch" nach einer Buchempfehlung einer Freundin. „Dass ich zu den einzelnen Präsentationen eine persönliche Geschichte erzählen konnte, ist bei den Messebesuchern sehr gut angekommen“, so Niestrath. In einer Buchhandlung, im echten Leben, würde es sicher ähnlich zugehen.

Zu jeder ihrer Themenwelten stellt sie traditionell eine Liste aller ausgestellten Produkte bereit (auf der Website der Paperworld) – wer will, kann sie mit dieser Vorlage sofort und ohne Weiteres nachbauen. Gute Chancen dürften besonders die drei Themenwelten haben, in denen ewig Frühling ist:

"Fashion & Flowers" (Mode und Blumen), ein Tisch, auf dem Frauen schöne, stilsichere Geschenke für sich selbst oder eine Freundin finden – nicht nur Bücher. Niestrath hatte zwei große Blumensträuße dazugestellt, und das nicht allein zu Dekozwecken: Im Blumenhandel gebe es durchaus Vertriebskonzepte, die kleinere Mengen liefern würden – auch an Buchhändler. Blumen, aus Sicht von Niestrath könnte daraus ein schönes, lohnendes Sortiment werden.

"About best friends" (beste Freunde) – ebenfalls ein Tisch für Frauen, der sich farblich aber komplett abhebt von dem sonst oft üblichen Rosarot-Raster (Farben: Sepia, Blau, Grau). Zusatzartikel wurden bewusst reduziert – dominiert wird der Tisch von Büchern und einem Strauß mit weißen Rosen (zum Verkauf).

"Urban Jungle" (Stadtdschungel) – die Präsenta­tion widmete sich dem Trend "Wohnen und Gestalten mit Pflanzen", der momentan, wie Niestrath sagte, rauf und runter gespielt werde. Als lebendigen Hingucker organisierte Niestrath riesige Sukkulenten und Kakteen zu den Sachbüchern und Ratgebern, außerdem farblich passende Papeterieartikel, Töpfe, Vasen und Postkarten.

PBS-Markt stabilisiert sich

Dass es die Sonderfläche »Mr. Books & Mrs. Paper« auf der Paperworld heute gibt, ist kein Zufall. Vor Jahren, es ist länger her als Angelika Niestrath selbst dabei ist, hatten sich die Messemacher überlegt, das Non-Book-Interesse des Buchhandels aufzugreifen und eine neue Zielgruppe zu aktivieren – und lagen damit offenbar richtig.

Mittlerweile gehört die Sonderschau schon seit Jahren zur PBS-Messe fest dazu (Niestrath selbst organisierte sie 2017 zum fünften Mal), das Projekt hat sich etabliert. Dazu kommt, dass es der PBS-Branche wieder besser geht: Die Umsätze haben sich laut einer Erhebung des Handelsverbands Büro und Schreibwaren (HBS) stabilisiert, sind 2016 sogar leicht gestiegen – um 0,5 Prozent auf 12,54 Milliarden Euro.

Davon profitiert auch der Buchhandel: Vor allem das kleine Segment Mal- und Zeichenbedarf, das dank des Ausmalbooms auch im Buchhandel wichtig ist, entwickelte sich laut HBS im vergangenen Jahr prächtig. Um satte 80 Prozent ging es hier bei den Einnahmen aufwärts (Umsatz 2016 in diesem Segment insgesamt: 45 Millionen Euro).

Eine andere Untersuchung, die nur die privaten Ausgaben für Papeterie, Büro- und Schreibwaren analysierte, gibt Entwarnung für andere Longseller: Marketmedia24 zufolge konnte der Markt für Grußkarten, Alben, Kalender und Notizbücher im vergangenen Jahr um insgesamt 1,7 Prozent zulegen. Die Prognose der Profis: Der Markt dürfte stabil bleiben, zumal mit Blick auf die auch im Buchhandel angesagten PBS-Segmente.

Lifestyle in allen Farben: Die Trendwelten "Suitable Solutions", "Curious Funfair" und "Solid Grade"

Trends zu analysieren, sie zu sortieren und später zu drei Trendwelten bündeln – dafür sind bei der Paperworld traditionell die Designer Cem Bora, Claudia Herke und Annetta Palmisano vom Stilbüro bora.herke.palmisano (Frankfurt) zuständig. Und sie geben diesen Trendwelten stets klingende Namen, die selbst trendverdächtig sind: Die Designer nannten ihre Stilwelten suitable solutions (ungefähr: passende Lösungen), curious funfair (merkwürdiger Jahrmarkt) und solid grade (gediegene Qualität). Etwas nebulös beim ersten Lesen, aber doch passend – wenn man sich dazu ihre Ausstellung zwischen im Durchgang zwischen den Hallen 5 und 6 anschaute (während der Frankfurter Buchmesse gehört dieser Platz immer dem Blauen Sofa).

Trend 1: Suitable Solutions
Viel Licht, wenig Ablenkung – alles wirkt luftig und leicht, strukturiert und effizient, als wäre im Büro ewig Frühling: Diesen Trend, vielleicht auch diesen Wunsch, beobachten die drei Frankfurter Designer in der Arbeitswelt. In ihrer Ausstellung dazu platzierten sie hochwertige Papeterie und Büroartikel, reduziert im Stil und in den Farben.

Trend 2: Curious Funfair
...beschreibt eher den Gegentrend: Knallbunt, mal süßlich und mal witzig, immer jedoch im Schein ausgelassener Lebensfreude. Die Stilwelt wirkte so individuell wie grenzenlos, war voller Pepp und präsentierte eine Fülle an Kleinigkeiten.

Trend 3: Solid Grade
... richtet sich an jene, die gern eine distinguierte Haltung einnehmen. Nippes hatte in der von den Designern für die Paperworld arrangierten Ausstellung kein Platz, dafür gab es haufenweise Nettigkeiten, die die Kraft haben, alles Laute in der Welt für eine Weile zu unterdrücken. Rückzug – das war hier das große Thema, die Liebe zur Natur und zum Ursprünglichen. Umweht wurde alles, natürlich: von einem Hauch von Luxus.