Nachruf auf Reinhold G. Stecher

Der Agentleman

22. November 2017
von Börsenblatt
Reinhold G. Stecher, langjähriger Verleger bei Heyne, C. Bertelsmann, Blanvalet und Gründer der Münchner Literaturagentur AVA ist am 19. November im Alter von 84 Jahren gestorben. Literaturagent Guenter Rodewald erinnert sich an seinen Kollegen.

Wir kennen das wohl alle: Bei so manchen Toten, die man zu beklagen hat, schliessen wir sehr schnell unseren bedauernden Ruf an – noch einer von denen, die es bald womöglich nicht mehr geben wird.

Der Tod von Reinhold Stecher ruft ohne Zweifel eine solche Klage hervor: Denn er gehörte im auch schon zu seinen aktiven Zeiten aufgeregten Vertragsgeschehen zu denen, auf die und auf dessen Wort sich jeder verlassen konnte. Er war ein Agent mit transparentem Verhalten, fair zu den Verlagen und den Lektorinnen und Lektoren, und immer unabdingbar den Autorinnen und den Autoren verpflichtet, die er betreute.

Er war aber ebenso ein Agent, der auch immer sehr deutlich formulierte, wenn er nicht mit dem einverstanden war, was er von den Verlagen vorgeschlagen bekam, und konnte im gleichen Mass aber auch seinen Repräsentationen klar machen, wenn sie sich "daneben" benahmen, was ja in den besten Agenturen vorkommen soll und kann.

Sowieso sind vielleicht die besten Agenten diejenigen, die auch die andere Seite kennengelernt haben, eben auch eindringlich ihre Erfahrungen auf der Verlagsseite gemacht haben. Reinhold Stecher hatte eine solche Biographie hinter sich, als er sich selbstständig machte, denn er war vorher viele Jahre verantwortlicher Verleger beim Heyne Verlag, bei C. Bertelsmann und Blanvalet gewesen.

Ich lernte Reinhold Stecher vor knappen dreißig Jahren kennen. Ich hatte gerade bei der Agentur von Ute Körner (1939 – 2008) in Barcelona angefangen zu arbeiten. Auf mediterran unkomplizierte Art begann man sehr bald das "Sie" in der Anrede zunächst unsererseits und unilateral in ein bequemeres "Du" umzuwandeln, was Herr Stecher, ab dann eben Reinhold, mit großer Gelassenheit und gerne annahm und seitdem ebenso immer erwidert hat, obwohl solche Jovialität deutschen Umgangsformen nicht immer ganz entspricht.

Unsere Agentur arbeitete für Reinholds AVA International als Co-Agenten in Spanien, Portugal und Lateinamerika. So sahen wir uns auch jedes Jahr an dem immer vorbildlich bestückten Stand auf der Frankfurter Buchmesse, immer bestens von Reinhold und Angelika Bender mit Parmesankäse und Salami bewirtet – deshalb legten wir unsere Treffen mit der AVA immer mit Berechnung auf die Mittagszeit, so war man sicher, dass man etwas "Ordentliches" in den Magen bekam.

Ich kann heute in aller Offenheit gestehen, dass die Zusammenarbeit unserer Agentur mit Reinhold in den vielen Jahren nicht sehr erfolgreich gewesen war, was daran lag, dass deutsche Autoren – und um diese handelte es sich ja immer bei den Projekten der AVA – seinerzeit noch nur schwer in unseren Sprach- und Kulturbereichen zu vermitteln waren. Aber niemals wurde dadurch unser kollegiales, ich möchte sagen freundschaftliches Verhältnis getrübt. Reinhold vertraute immer vollkommen in unsere Arbeit. Eine Qualität, die man nicht immer so kennenlernt als Agent.

Zweimal war es mir auch gelungen, der Einladung an den Ammersee zu einem der berühmten Weißwurst-Frühstücke im Garten am Sitz der AVA in Herrsching-Breitbrunn zu folgen. Nicht immer klappte es mit der eher entfernten Anreise aus Barcelona. Bei diesen Festen erlebte ich Reinhold als bestens gelaunten Gastgeber, um den sich so viele seiner Autoren und so vieler VerlegerInnen versammelt hatten. Und an seiner Seite seine Frau, seine Mitarbeiterinnen und sein Partner und Nachfolger in der Agentur, Roman Hocke.

Ich bin sicher, Reinhold wird glücklich gewesen sein, als er wusste und sah, dass sein auf so viel Liebe, Professionalität und Hingabe gegründetes Unternehmen auch nach seinem Rückzug aus dem Geschäft weiter existieren konnte. Die Art und Weise, wie er die Übergabe seines Legats in die Hände von Roman Hocke gestaltet hat, war ein weiteres Indiz für seine höchst angesiedelte Professionalität und Fairness.

Meine Lehrmeisterin Ute Körner hat Reinhold einmal als "Agentleman“ bezeichnet. Dem ist kaum noch etwas hinzuzufügen.

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Guenter G. Rodewald arbeitete von 1986 bis 2013 für Ute Körner Literay Agent, Barcelona, war ihr Teilhaber und Geschäftsführer. 2014 trat er in die Pontas & Copyright Agency ein, ebenfalls mit Sitz in Barcelona, bevor er im Sommer 2016 zurück in seine Heimatstadt Bremen zog. 

Guenter G. Rodewald, Consultant to Literary Agencies & Publishers