National Geographic Deutschland

Digitale Städtetour: "Günstiger geht nicht"

9. August 2012
von Börsenblatt
National Geographic Deutschland, eine Tochter von Gruner + Jahr, bringt ihre ersten Apps an den Start – und begibt sich damit in einen turbulenten Wettbewerb: Digitale Stadtführer gibt es längst zuhauf, gerade für iPhone-Nutzer. Wie viele Downloads es braucht, bis die Entwicklungskosten wieder eingespielt sind? Ein Gespräch mit dem stellvertretenden Verlagsleiter Martin Bethke.

Was können Ihre Apps, was andere nicht können?
Bethke: Unsere Apps versetzen Nutzer in die Lage, eine Stadt per iPhone zu erkunden, mit allen Interaktivitäten, die sie von einer solchen App heute erwarten, wie zum Beispiel einem offlinefähigen Stadtplan und ein- und ausblendbaren Such- und Sortierfunktionen.

Umfasst das auch Augmented Reality – standortbezogene Interaktivität in Echtzeit?
Bethke: Im Moment noch nicht. Augmented Reality ist zweifellos ein tolles Feature, es bedeutet aber auch, dass man im Ausland zusätzliche Roaminggebühren zahlen muss. Deshalb haben wir uns erst einmal dagegen entschieden. Unsere Intention ist es, dass unsere Apps genauso unbeschwert und einfach zu benutzen sind wie die Bücher, auf denen sie basieren. Wie Sie sehen, gehen wir eigentlich recht klassisch an das Thema Digitalisierung heran: Wir möchten niemanden mit zu vielen technischen Optionen überladen, sondern das Ganze so einfach wie möglich halten.
 
Mit 3,99 Euro sind Ihre Apps jedoch vergleichsweise teuer. Finden Käufer diesen Preis plausibel?
Bethke: Da wir erst gestartet sind, liegen uns dazu noch keine validen Daten vor. Folgendes kann ich jedoch schon sagen: Unsere Kunden haben einen berechtigten Qualitätsanspruch, wenn Sie ein Produkt von National Geographic kaufen. Dieser gilt selbstverständlich auch für unsere Apps. Die Entwicklung und Erstellung von qualitativ hochwertigem Content ist auch für uns nicht kostenlos möglich, daher der Preis von 3,99 Euro. Im Vergleich zu einem gleichwertigen physischen Produkt ist der Preis zudem noch deutlich günstiger.

Haben Sie sich bei der Preisfindung eher vom Printmarkt leiten lassen oder vom digitalen Wettbewerb?
Bethke: Wir haben bei der Preisfindung sowohl den Printmarkt als auch den digitalen Wettbewerb berücksichtigt. Meiner Meinung nach haben wir mit unserem jetzigen Modell einen guten Mittelweg gefunden.
 
Wie viele Apps müssen Sie verkaufen, bis Sie Ihre Kosten wieder einspielen?
Bethke: Das ist etwas schwierig zu beziffern. Wenn wir die Apps separat und als eigenes Profitcenter betrachten, würden wir wahrscheinlich im vierstelligen Download-Bereich pro Titel liegen, bis wir ein vernünftiges Level erreichen. Ich sage absichtlich »würden«, da sich die Apps zwar rechnen sollen, es uns aber auch darum geht, mit ihnen neue Zielgruppen anzusprechen und Erfahrungen im App-Markt zu sammeln.
 
Warum konzentrieren Sie sich dabei auf iPhone-Besitzer?
Bethke: Der Hauptgrund liegt für uns darin, dass wir mit den iPhone-Apps die Komplexität reduzieren und technologisch gesehen weniger Kompromisse eingehen müssen. Zudem arbeiten wir mit den Kollegen von Apple einfach sehr gut zusammen – auch bei anderen Projekten.
 
Welchen?
Bethke: Apple und National Geographic haben in den USA schon lange einen guten Draht zueinander. Als Steve Jobs zum Beispiel das erste iPad vorstellte, hat er als erstes die Homepage von National Geographic angesurft, um die Bildqualität des iPads zu zeigen. Wir definieren uns beide sehr stark über Qualität und Optik. Das verbindet.
 
Wie läuft diese Zusammenarbeit im Alltag?
Bethke: Unsere Kommunikation läuft in der Regel per E-Mail. Kontinuierlich tauschen wir uns darüber aus, was bei uns geplant ist und in welche Richtung wir uns entwickeln. Es bringt uns in jedem Fall weiter, wenn wir von Apple ein Feedback auf das bekommen, was wir gerade entwickeln.
 
Was haben Sie vor?
Bethke: Derzeit denken wir darüber nach, unsere Bildbände und illustrierten Sachbücher über den iBookstore anzubieten. Wir suchen jedoch noch nach der idealen Form. Was, wie viel und zu welchem Preis: darum geht es. Als erstes schauen wir uns jetzt den Titel »iPhone-Fotografie« an, eine Mischung aus Bildband und Fotoratgeber.   

So enthusiastisch waren Sie nicht immer. Vor anderthalb Jahren haben Sie die Ansicht vertreten, dass sich solche Projekte nicht lohnend kalkulieren lassen – weil der Preis letztlich zu hoch wäre. Was hat Sie umgestimmt?
Bethke: Meine Meinung hat sich gar nicht so sehr gewandelt. Aber man muss ja nicht gleich den gesamten Content aufs iPad bringen, sondern kann auch erst einmal über Teaser, Trailer und Ähnliches nachdenken. Genau das tun wir jetzt.
 
Mit einer eigenen Abteilung?
Bethke: Nein. Wir bauen zwar im Austausch mit unseren Kollegen in den USA eigenes App-Know-how auf, greifen in erster Linie aber auf die Ressourcen von Gruner + Jahr zurück. Bei speziellen Fragen, etwa zum Thema Marketing, arbeiten wir zudem mit externen Dienstleistern zusammen.

Können Sie sich vorstellen, dass digitale Angebote eines Tages das Printgeschäft ersetzen?
Bethke: Eines Tages vielleicht, aber wer kann schon so weit in die Zukunft schauen. Vorerst jedoch – und das gilt auch für die nächsten Jahre – würde ich Ihre Frage mit Nein beantworten.
 
Wie entwickelt sich Ihr Printgeschäft?
Bethke: Bildbände laufen nach wie vor sehr gut, und das auf einem recht hohen Niveau. Im Sachbuchbereich ist es zwar etwas schwieriger, aber das liegt nicht so sehr an unserem Programm als vielmehr an der Fläche, die zur Verfügung steht.
 
Was tun Sie gegen den Flächenfraß?
Bethke: Eigentlich nichts Außergewöhnliches. Wir haben einen guten Vertrieb und eine starke, weltweit bekannte Marke. Unserer Erfahrung nach räumen Buchhändler – wenn überhaupt – etablierte Marken nur sehr zurückhaltend aus dem Regal. Zudem unterstützen wir den Handel mit Aktionen und Dekomaterialien, um den Abverkauf zu fördern.
 
Bleibt das so?
Bethke: Die Antwort darauf würde jeder gern kennen. Ich glaube, dass es in den nächsten Jahren mit Sicherheit nicht leicht werden wird, aber wir sind noch weit von amerikanischen Verhältnissen entfernt. Ich habe mir das gerade wieder vor Ort angesehen: Versuchen Sie doch einmal, in den USA eine Buchhandlung zu finden. Zum Glück ist die Lage in Deutschland anders.