Neue Unternehmenskultur

Schöner arbeiten mit mehr Freiraum

23. Oktober 2015
von Sabine Schmidt
Gute Argumente für neue Strukturen: Anja Förster und Peter Kreuz erklären in "Nur Tote bleiben liegen" (Pantheon), warum Unternehmen und Mitarbeiter umdenken sollten.

Sie wollen nicht ein bisschen Wandel, sondern ein Umdenken: Starre Machthierarchien und Arbeits­kontrolle sind Schnee von gestern – das ist eines der Credos von Anja Förster und Peter Kreuz. Nicht die Überstunden sind entscheidend, nicht Präsenz und das Abarbeiten vorgegebener Aufgaben, sondern Kreativität, Initiative und Eigenverantwortung.

Das Internet zeige, wohin die Jobreise geht, erklären die beiden Berater. "Im Internet entscheiden die User, ob sie sich an der Lösung einer Aufgabe beteiligen wollen oder nicht. Ob sie bloggen, an einer Open-Source-Software mitprogrammieren oder interessante Informationen anbieten – wie und wo sie sich online einbringen, ist ihre Sache." Jeder ist frei, Arbeitskraft anzubieten, nachzufragen oder sich selbst mit seinen ­Interessen zu verwirklichen.

Den Jungen, die mit dem Internet groß geworden sind, sind starre Hierarchien und ein Absitzen der Arbeitszeit in Büroräumen nur noch schwer vermittelbar, wie Förster und Kreuz erläutern. Aber auch ältere Arbeitnehmer sähen immer weniger ein, warum sie ihre Potenziale unter den Teppich kehren müssen, sich nicht mehr, anders, besser einbringen können. Sie sollten es auch gar nicht einsehen, meinen die beiden, weil es lebenslange Beschäftigungsverhältnisse kaum noch gibt und jeder sich selbst vermarkten muss.

Ebenso werden Unternehmen die massiven Umwälzungen der Wirtschaft und der Arbeitswelt nicht überstehen, wenn sie sich nicht umstellen und mit engagierteren, kreativeren Mitarbeitern bessere Ergebnisse erreichen. Davon sind Förster und Kreuz überzeugt und fahren starke Geschütze auf: "Alles verändert sich rasend schnell. Mit der Gemütlichkeit ist es vorbei. Es geht ums Überleben. Sonst sind ruckzuck die Kunden weg. Und dann die Gewinne. Und dann die Arbeitsplätze." Nur ein bisschen Veränderung und Change-Management bringen nichts: "Das ist wie der Versuch, in den Schlössern die Monarchie zu reformieren, während draußen die ­Revolutionäre schon schießen."

Unternehmen sollten Freiräume für Mitarbeiter schaffen. Aber auch die müssen sich umstellen: Nicht jeder, der zu Hause arbeiten will, weil er dort besser denken kann, schafft das auf Anhieb, sondern er muss lernen, sich nicht ablenken zu lassen. Auch Verantwortung zu übernehmen, statt die Chefs machen zu lassen, dürfte für manchen eine Herausforderung sein.

Solche Ideen sind längst keine praxisfernen Visionen mehr, sagen Förster und Kreuz und nennen als Beispiele SAP und IBM. Untersuchungen gebe es auch schon, und die zeigen, dass durch andere Arbeitsformen weniger Stress entsteht. "Je geringer die Kontrolle über das eigene Handeln und je kleiner der Entscheidungsspielraum, desto größer der Stress und desto gravierender seine gesundheitlichen Folgen", wissen sie. Freiheit sei dagegen nicht stressig: "Wer sein volles Potenzial entfesselt, dem geht es dadurch nicht schlechter, sondern besser."
Für Freiheit und Verantwortung plädieren die beiden Buchautoren dann auch engagiert. "Nur Tote bleiben liegen", so bringen sie es auf den Punkt, und so heißt auch einer ihrer Titel, der jetzt als Taschenbuch erschienen ist (Pantheon). "Leben hingegen bedeutet Wandel, Dynamik, Wachstum, Überraschung, Enttäuschung, Hoffnung – und in alledem auch: Erfüllung." Ihrem schönen Schlusswort ist nur eines hinzuzufügen: Los geht’s!