Neuer Verlag des Salis-Verlegers André Gstettenhofer: lectorbooks

Alles auf Anfang

14. Juni 2017
von Nils Kahlefendt
Der Salis Verlag ist erwachsen geworden. Nun überraschen Verleger André Gstettenhofer und Lektor Patrick Schär mit einem frechen Baby: lectorbooks.

Wer möchte das nicht: noch einmal jung, wild und frei sein, aus den Schienen des Bewährten ausbrechen, zurück zum Zauber des Anfangs? Dass der bei André Gstettenhofer schon eine Dekade zurückliegt, mag man kaum glauben. Und doch: Der Zürcher Salis Verlag, der in diesem Jahr zehnten Geburtstag feiert und in seinem neuen Domizil im Hunziker-Areal seit März 2016 einen Showroom für unabhängige Verlage nebst angeschlossener Buchhandlung betreibt, ist in der deutschsprachigen Indie-Szene fest etabliert.

Also: weiter so? Das allein ist Verleger Gstettenhofer und ­Patrick Schär, der von Berlin aus das Lektorat betreut, offenbar zu wenig: Gemeinsam haben die beiden zu Jahresanfang ­lectorbooks gegründet – als Freiraum, in dem sich klassisch erzählende und experimentelle Literatur, bewährte Verlagsarbeit und neue Vermittlungsformen begegnen. "Die Dynamik, Dinge auszuprobieren, wäre bei Salis eine andere", erläutert Gstettenhofer, "wir würden vorsichtiger agieren, weniger riskieren." Der Name war schnell gefunden: "Man kann sich auch zu Tode brainstormen. Für wen macht man die Bücher? Doch schlussendlich für den Leser!" 

Während Salis als Aktiengesellschaft aufgestellt ist, gehört lectorbooks zu 100 Prozent den beiden Gründern. Der Verlag ist eine Tochter der ebenfalls neu gestarteten Firma Torat. Unter diesem Label bieten Gstettenhofer, Schär und ein Netzwerk versierter Freier Dienstleistungen für Verlage und Autoren an – von Lektorat und Korrektorat bis zu Buchgestaltung und Beratung. Das erinnert auf den ersten Blick an das Verlags-/Agenturmodell von Peter Graf, mit dem die beiden Schweizer auch privat eine enge Freundschaft verbindet. Allerdings werden die bei Torat betreuten Projekte strikt von der Arbeit bei lectorbooks und Salis getrennt und auch nicht dort vertrieben.

Denkt man sich die lectorbooks-Bücher als die frecheren Salis-Geschwister, die sich einen Teufel um Regeln scheren, kam das erste, im März erschienene Programm noch etwas handzahm daher. "Wir wollten keinen Kaltstart hinlegen, sondern den Übergang fließend gestalten", so Schär. Mit Heinz Em­menegger und dem 1990 geborenen Ausnahmetalent Anna Stern setzte man auf bewährte Salis-Kräfte, konnte jedoch aus dem Stand punkten: Sterns Erzählband "Beim Auftauchen der Himmel" gehört zu den wichtigsten Büchern des Frühjahrs. Im Netz gibt es den "Soundtrack" zum Buch, das voller Referenzen zu Songs und Musikern ist. "In Zukunft wird es vermehrt Spotify-Playlisten zu unseren Büchern geben, immer von den Autoren zusammengestellt." Auch das ist ein alternativer Weg zum Leser – ohne großes Werbebudget.

Die Herbst-Romane lassen deutlicher erkennen, wohin die Reise bei lectorbooks gehen soll: Mit "Land ganz nah" beweist Benjamin von Wyl, wie Stern Jahrgang 1990, dass Popliteratur politisch sein kann, und auch das Debüt des österreichischen Musikjournalisten ­Dominik Dusek, "Er tritt über die Ufer", führt tief in die (pop-)kulturellen Verwirbelungen der Nuller- und Zehnerjahre, dazu "Der Tag, an dem es 449 Franz Klammers ­regnete" des lange in der Versenkung verschwundenen ­Ex-Suhrkamp-Autors Gion Mathias Cavelty. Alle Bücher kommen mit Goldfolienprägung, bedrucktem Vorsatz und Lesebändchen daher. Aber Achtung: nur in der ersten Auflage! Die, sagt Gstettenhofer selbstbewusst, "soll immer etwas ­Besonderes bleiben".

Zur Frankfurter Buchmesse teilen sich die Durchstarter einen großen Stand mit Salis sowie den Freunden Ricco Bilger und Peter Graf. Wie man trommelt, wissen sie ja. Und dann? "Nicht zu schnell bequem werden!"