Novitäten zum Thema Älterwerden

Das Glück der späten Jahre

14. Juli 2016
von Börsenblatt
Angst vorm Alter? Leider gibt es zum Älterwerden keine gute Alternative. Und vielleicht lassen sich Vitalität und Aktivität ja trotzdem erhalten. Bücher, die  versprechen, dass das Alter schöne Seiten hat.  

Ab Mitte 40 geht es bergauf. Die Glückskurve verläuft u-förmig. Erst ist der Mensch sehr glücklich, dann geht es abwärts bis er die Midlife-Crisis erreicht. Ist diese Talsohle durchschritten, kommen auch die Glücksgefühle zurück. Kurz vor der Rente sind wir so glücklich wie mit 20, meinen die Glücksforscher. Ob das stimmt? Die Heim­suchungen des Alters lassen sich jedenfalls nicht so leicht wegforschen. Heimsuchungen des Alters? Die muss es gar nicht geben. Meint der Medizinjournalist Michael Prang ("Vegetarier leben länger" und "Die 77 größten Fitness-Irrtümer"), der in gewohnt plakativer Manier mit den Vorurteilen rund ums Alter aufräumen will und der Zahl 77 dabei treu bleibt. "Not Too Old to Rock 'n' Roll" heißt sein Buch, Untertitel: "Die 77 größten Irrtümer über das Älterwerden" (C. H. Beck, August, 192 S., 11,95 Euro). Zu den Märchen zählt Prang etwa, dass Anti-Aging das Älterwerden verlang­same, ab 40 der Verstand nachlasse oder der Körper mit jedem Lebensjahr weiter abbaue. Der ausgebildete Allgemein­mediziner liefert nicht nur die Begründung für seine "Richtigstellungen", sondern gibt auch viele (nicht immer über­raschende) Tipps, was im Alter wirklich guttut (oder nicht).

Eine der wichtigsten Formen der gesellschaftlichen Teilhabe ist Arbeit. Einblicke in die Vita Needle Company, Massachusetts, in der ausschließlich ältere Arbeitnehmer beschäftigt sind, geben Caitrin Lynch und Loring Sittler in ihrem Buch "Geht’s noch? Arbeit und Selbstwert im Alter" (J. Kamphausen, 350 S., 19,95 Euro). In der Nadelfabrik der Hartmanns sind die meisten Mitarbeiter über 70 Jahre alt. Und sie haben jede Menge Freiheit: Sie können kommen und gehen, wann sie wollen, Entlassungen gibt es nicht. Die Rentner-GmbH wurde bereits in den 90er Jahren von den Medien entdeckt. "Geht’s noch?" beschäftigt sich ausführlich mit den Medienreaktionen und der demografischen Entwicklung in Deutschland und anderen Ländern.

Das gute Olivenöl lässt die Sarden so glücklich steinalt werden? Auf der Suche nach dem Geheimnis der Langlebigkeit auf Sardinien hat Ulla Rahn-Huber neben der Ernährung die Lebenseinstellung, den Lebensrhythmus, Familie und Spiritualität als entscheidende Faktoren für ein langes Leben ausgemacht. Auch wie wir im kühlen Deutschland von ihrer Erkenntnis profitieren können, erklärt die Lebens- und Gesundheitsberaterin in "Das Geheimnis der Hundertjährigen von Sardinien" (MVG Verlag, August, 200 S., 19,99 Euro).

Katharina Ley hält sich in "Anders ­älter werden" (Fischer & Gann, 120 S., 14,95 Euro) ebenfalls an Überliefertes – und fördert Erstaunliches zutage. Die Fallgeschichten der Psychoanalyterikerin und -therapeutin zeigen, wie individuell der Alterungsprozess verläuft. Längst nicht alles ist schlecht im Alter. Das so gefürchtete Langsamerwerden nicht, auch nicht unbedingt die Vergesslichkeit oder die hier und da auftretenden Zipperlein. "Die Alten werden kleiner, die Kleinen größer – was zählt, ist die innere Augenhöhe, sind Respekt, Anerkennung, Würdigung", lautet ihr Fazit. "Jetzt weiß ich endlich, wer ich bin, und dafür musste ich alt werden", hat sie im Gespräch mit einer Greisin erfahren. Das Buch endet mit dem letzten Geheimnis, dem Sterben (auch dem selbst gewählten Tod). Ein weiterer Pluspunkt: die ausführliche Bibliografie mit Literatur zum Thema, die Anregungen zum Entdecken und Wiederentdecken (Simone de Beauvoir, "Das Alter"!) gibt.

Gregor Eisenhauer konzentriert sich in "Wie wir alt werden ohne zu altern" (Dumont, September, 160 S., 18 Euro) auf das Denken, denn die "größte Problemzone im Alter ist der Kopf", so seine Erkenntnis. Eisenhauer hat Germanistik und Philosophie studiert und über Arno Schmidt promoviert. Vielleicht ist das der Grund für seinen ungewöhnlichen ­Zugang zum Thema. So lässt er zum Beispiel (den dummen) König Lear auftreten, (die kluge) Miss Marple, Konfuzius und Dorian Gray. Die "Katastrophen­belletristik", die das Alter als einzige ­Katastrophe beschreibe, sei die Rache der Jungen an der neuen Lebenslust der ­Alten, so Eisenhauer. Seine zentrale Frage: Was fängt man mit den etwa 30 geschenkten Jahren an? Sehr anregend.

Glücklich und gesund alt zu werden – das ist ein Geschenk. Michael Despegehl liefert in seinem Buch "So senken Sie Ihr biologisches Alter" (Riva, 200 S., 16,99 Euro) laut Untertitel "das wissenschaftlich fundierte Programm, mit dem sie jünger werden als Sie eigentlich sind". Ein großes Versprechen. Jünger, schöner und fitter auszusehen ist möglich, macht aber offenbar viel Arbeit. Wie der Mensch altert – das sei zu 50 Prozent erb­lich bedingt, meint Despegehl, die anderen 50 Prozent könne jeder selbst über seinen Lebenswandel beeinflussen.
Welche Rolle spielen beispielsweise ­Lebenseinstellung und Glück? Und wie können die externen Einflussfaktoren (Schlaf, Ernährung, Fitness) beeinflusst werden? Alle diese Aspekte sind sehr gut sortiert und lesbar aufbereitet. Fazit: Auch Despegehls Titel gehört auf den Aktionstisch mit neuen Büchern zum Thema Altern.