Preis der Stiftung Buchkunst

"Nicht nostalgisch, sondern zukunftsweisend"

4. September 2015
von Börsenblatt
Wenn schönste Bücher mit einem Preis bedacht werden, ist das mehr als nur ein feierlicher Akt. Es ist, wie gestern Abend im Frankfurter MAK (Museum für Angewandte Kunst), auch eine Einladung zum Diskurs über das gedruckte Buch selbst.

Das jedenfalls machten unter anderem die kurze Rede von Frankfurts Kulturdezernent Felix Semmelroth und insbesondere die Laudatio auf Michael Glawoggers "69 Hotelzimmer" von FAZ-Literaturchefin Felicitas von Lovenberg deutlich.

Semmelroth fragte ins Publikum, was der Wohlfühlort Nummer 1 in Deutschland sei: die Sauna, die Muckibude oder das Museum? Nein, die Buchhandlung, wie eine Umfrage der Kampagne Vorsicht Buch! ergeben habe. Sie liege auf Platz 1, vor dem Blumenladen und dem Bekleidungsgeschäft.

Bücher erzeugten immer eine besondere Atmosphäre, sie hätten auch einen olfaktorischen Faktor, was jeder passionierte Büchersammler bezeugen könne. (In diesem Zusammenhang lobte Semmelroth die Büchersammler-Serie der FAZ.) Vieles, was man über das Buch sagen könne, ließe sich über einen Kindle (oder E-Reader generell) nicht sagen.

Damit meinte Semmelroth die reduzierte, auf die Textdarstellung beschränkte Funktionalität des E-Books. Natürlich könne man E-Books kaufen, meinte Semmelroth, sie böten ja viele praktische Vorteile, etwa wegen ihres geringen Gewichts, aber ein "nachhaltig wirkendes, intellektuelles, sinnliches Vergnügen" biete nur das gedruckte, gestaltete Buch.

Der Siegertitel des Abends, "69 Hotelzimmer" aus der Anderen Bibliothek, steht in ganz besonderer Weise für das synästhetische Erleben, das mit einem Buch verbunden sein kann. Verpackung, Gestaltung und Inhalt gingen hier eine perfekte Symbiose ein, sagte Felicitas von Lovenberg in ihrer Laudatio. Der Schuber zeige die gleichsam "öffentliche" Seite, ziehe man ihn ab, käme die "private" Seite zum Vorschein: der von einem leuchtenden Orangerot in ein dämmeriges Orangegrau verlaufende Leineneinband.

Die Orange-Variationen setzen sich im Buch fort: mit orangeroten Kapitelziffern, die wie Zimmernummern gestaltet sind und auf den Text ausstrahlen, wobei sich das Orange in der Typographie verläuft, bis diese wieder den besser lesbaren Schwarzton angenommen hat. Felicitas von Lovenberg erinnerte das Spiel mit Orange an die Farbstudien des Münchner Malers Rupprecht Geiger.

Die Vielfalt der Assoziationen, die Michael Glawoggers "69 Hotelzimmer" auslöst und die sich eben auch auf die Texte selbst beziehen lassen, sind sicher außergewöhnlich. Ungewöhnlich sei es aber auch, stellte Christian Döring, Herausgeber der Anderen Bibliothek, fest, dass die Andere Bibliothek in ihrer 30-jährigen Geschichte zum allerersten Mal mit dem Preis der Stiftung Buchkunst bedacht worden sei.

Das besondere Verhältnis von Gestaltung und Inhalt war natürlich auch bei den übrigen 24 nominierten Titeln zu sehen, die Stiftungsvorstand Karin Schmidt-Friderichs in einem Parforceritt vorstellte. Als Fazit der gesamten Veranstaltung bleibt Felix Semmelroths Satz stehen, "der Preis der Stiftung Buchkunst diene nicht der Nostalgie, sondern sei zukunftsweisend".