Pricing-Meeting des BuchmarktFORUM in München

"Preisschwellen darf man überschreiten"

6. Oktober 2017
von Nicola Bardola
Am 4. Oktober hatte das BuchmarktFORUM zum Pricing-Meeting ins Literaturhaus München eingeladen. Dabei ging es unter anderem um Fragen des strategischen Pricings − teilgenommen haben Buchhändler und Verlagsleute.

Zum "After Work Meeting" hatten die Programmacher des "BuchmarktFORUM" Andreas Meyer (Verlagsconsult) und Arnd Roszinsky-Terjung (Buchconsult) Buchhändler und Verlagsleute ins Münchner Literaturhaus eingeladen, um sich über das Thema Pricing auszutauschen. Sie erinnerten daran, dass sich schon das erste Forum 1999 mit dem Thema beschäftigt hatte, damals mit der Frage: "Der Euro kommt. Was machen wir?". Seither sei für die Buchindustrie die Dringlichkeit gestiegen, sich mit Pricing als Marketingfaktor zu beschäftigen. Es gehe nicht um eine allgemeine Forderung nach Erhöhung der Preise, sondern um strategische Fragen bei der Festsetzung des Ladenverkaufspreises. Meyer nannte einige Beispiele für differenzierte Preise, u.a. für "Er ist wieder da" (19,33 Euro), "Trick 17" (17 Euro) oder der Preisanstieg um 30 Prozent bei der Erstveröffentlichung von Harry Potter Band fünf. Roszinsky-Terjung konstatierte eine zu starke Zurückhaltung bei der Preisgestaltung für Zielgruppen, die sich je nach Ausstattung und Inhalt nach oben und nach unten bewegen könne.

Randolf Dieckmann, Professor an der HTWK in Leipzig vermisst systematische Überlegungen zur Preisgestaltung. Die Seitenzahl sei immer noch das dominante Kriterium für das Pricing, die Leser jedoch bezahlten nicht für Produktionskosten. Den Wert des Buches für den Kunden und damit die Preiselastizität gelte es zu analysieren. Dieckmann verwies auf den Zusammenhang zwischen Auflagenhöhe und Preis, kritisierte die "Auflagenfixierung" in Verlagen und erläuterte Begriffe wie "Preislernen", "Referenzpreis" oder "Preisschwellen", deren Vorhandensein er bezweifelt.

Dieckmann zeigte Potentiale bei der Preisgestaltung auf, die systematisch geschehen soll. Den Sinn glatter Preise negierte er und erklärte die ungebrochene Wirksamkeit von 99-Cent-Beträgen in allen Branchen. Auf die Bedeutung der Wertorientierung bei der Preisgestaltung verwies auch Günter Wohlgenannt, Buchhändler in Dornbirn und Erfinder des Pricing-"Gewinner-Rechners". Er kritisierte "Preisschranken im Kopf" und nannte als positives Beispiel das Taschenbuch "Am Arsch vorbei geht auch ein Weg", das mit 192 Seiten Euro 16,99 kostet: "Das Buch wird verlangt. Preisschwellen, so es sie gibt, darf man überschreiten." Wohlgenannt plädierte dafür, die Qualitäten und Werte der Bücher zu betonen. Im Verkaufsprozess solle der Preis möglichst spät auftauchen. Er wünscht sich Bestsellerlisten ohne Ladenverkaufspreise sowie Listen, die sich nicht an der Anzahl verkaufter Bücher, sondern an den Umsätzen orientieren. "Verlage kalkulieren Preise und bedenken zu wenig, was sie für den Handel bedeuten", so Wohlgenannt, der auch auf die Unterschiede zwischen stationärem Handel und Nebenmärkte einging.

Klaus Kluge veranschaulichte die Erhöhung der Gehälter im Buchhandel und die Preissteigerungen in fast allen Lebensbereichen im Gegensatz zum Abwärtstrend der Buchpreise besonders auch beim E-Book, seit 2005 im Durchschnitt für gedruckte Bücher um über zwei Prozent. Gegen diesen Trend hat der Verlag Bastei Lübbe den Preis für den dritten Kingsbridge-Roman von Ken Follett auf 36 Euro angehoben. "Es geht um die Attraktivität der Titel, nicht um den Preis", so Kluge, der Institute beauftragte, um das Kundeverhalten und die Bedeutung des emotionalen Mehrwerts zu ergründen, zuletzt Sören Ott, Vorstand der Gruppe Nymphenburg. "Der Buchpreis ist aus Kundensicht so irrelevant wie in keiner anderen Branche", so Ott. Er plädierte dafür, den Preisabstand zwischen den verschiedenen Ausgabeformaten nicht zu groß werden zu lassen und warf einen Blick in die Zukunft: "Das Buch muss sich weiterentwickeln", sagte er und empfahl Kombipakete mit digitalem Mehrwert anzubieten.