Publishers' Forum 2017

Die Zeit des Kunden

24. April 2017
von Börsenblatt
Das Publishers' Forum in Berlin ist auch in diesem Jahr ein Branchenmagnet: Wer sein Trend- und Strategiewissen auffrischen will, ist hier. Themen sind unter anderen digitale Transformation, E-Book-Plattformen, Selfpublishing und digitale Lernplattformen.

Die fünfte Welle des Bücherverkaufens – das war das Keynote-Thema von Michael Tamblyn, CEO von Kobo Rakuten, das kürzlich die Tolino-Plattform erworben hat. Mit der fünften Welle ist allerdings kein Medienwechsel mehr gemeint, sondern ein neuer ökonomischer Zugang zum Publizieren: die Aufmerksamkeits-Ökonomie ("attention economy") im E-Commerce.

Damit sei nichts anderes gemeint als der "Kampf um die Zeit des Kunden", so Tamblyn. In der Flut der Online-Angebote müsse es gelingen, den Kunden davon zu überzeugen, dass er seine Zeit am sinnvollsten auf der eigenen Website (also Kobo Books) verbringe. Es gehe darum, Aufmerksamkeit zu erzeugen, analog der Aufgabe des physischen Händlers, den Kunden über die Schwelle zu locken.

Zwei Dinge seien dafür entscheidend:

  • Man muss den Kunden dort ansprechen, wo er sich aufhält: bei Google, bei seinem Nachrichtenportal, in seinem sozialen Netzwerk. Überall müsse es ein Fenster zum Kobo Shop geben. Folge sei natürlich die "Atomisierung" der Online-Buchhandlung.
  • Die Personalisierung des Angebots: Jeder Kunde bekommt die Webseite angezeigt, die auf ihn zugeschnitten ist und die Empfehlungen anzeigt, die für ihn von Interesse sind. Ziel ist es, dass die Aufmerksamkeit des Kunden nicht erlahmt und er den Website-Besuch nicht abbricht.

 

Von der Print-Beilage zur Drehscheibe für Unterrichtsmaterialien

Die Zeit des Kunden zu gewinnen, war auch eine der digitalen Lektionen, die Rob Grimshaw, CEO von TES (Times Education Supplement), den Zuhörern im dbb Forum in Berlin erteilte.

Seine Geschichte war die einer atemberaubenden digitalen Transformation, die begann, als die News Corporation 2005 das printbasierte Produkt TES verkaufte, und die neuen Eigentümer dem Blatt eine radikale Digitalkur verschrieben. Das Anzeigengeschäft wanderte zum großen Teil ins Netz, reine Online-Anzeigen wurden zum Premium-Tarif verkauft. Aus dem reinen Printprodukt wurde eine Plattform, auf der Pädagogen aus aller Welt Unterrichtsmaterialien tauschen und erwerben können. Entstanden ist ein Lehrer-Netzwerk, das über eine Milliarde Ressoucen für den Unterricht bereitstellt, und das wesentlich vom Engagement der registrierten Lehrer profitiert. Offenbar eine Erfolgsgeschichte: die Umsätze gingen in die Höhe, die Rendite durch die Decke (Umsatz 2016: 137,1 Millionen Pfund; EBITDA 2016: 43 Millionen Euro).