Ratgeberverlage

Vom Büchermacher zum Content-Manager

24. April 2009
von Börsenblatt
Business as usual? Das war einmal. Ratgeberverlage stecken in Schwierigkeiten, bekommen Druck von allen Seiten. Und nun? Auf der Jahrestagung des Arbeitskreises Ratgeberverlage (AkR) in München suchten sie nach einer Antwort...

Drei Themen beschäftigen Ratgeberverlage derzeit besonders: erstens die Wirtschaftskrise, die Konzentration im Handel und die Kostenlos-Konkurrenz im Internet, weil die Umsätze mit gedruckten Büchern weiter sinken (2008: minus 2,9 Prozent). Zweitens das Google Settlement, weil hier für viele Verlage bis heute noch nicht klar ist, wie sie sich verhalten sollen – und drittens das elektronische Publizieren, weil sie nicht nur ihre internen Arbeitsabläufe anpassen, sondern auch bei der Produktentwicklung künftig völlig neu denken müssen.


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Es geht also derzeit um das große Ganze. Rund 30 Mitarbeiter aus (großen wie kleinen) Verlagen waren gestern nach München gekommen, um Ideen für das Geschäft der Zukunft zu sammeln, sich auszutauschen und über Details ihrer täglichen Arbeit zu debattieren. Im Mittelpunkt stand dabei auch für sie das aktuelle Branchenthema Nummer 1: der digitale Markt.

Knackpunkt: Ratgeber sind keine Romane. Für Ratgeberverlage könne es nicht darum gehen, Inhalte 1:1 aufzubereiten und sich ausschließlich auf E-Books zu konzentrieren, argumentierte etwa Droemer Knaur-Geschäftsführer und AkR-Vorstandsmitglied Ralf Müller, der als Referent Best Practise-Beispiele vorstellte. »1:1 will niemand, auch nicht umsonst.«

Warum er sich so sicher ist? Müller testet den digitalen Markt seit fünf Jahren mit unterschiedlichsten Produkten. Beim Steuerratgeber »Konz« oder den »Comicstars« (Plattform für user generated paid content, www.comicstars.de; einem Jointventure) laufe die Sache gut, so Müller. Buch-Communities jedoch fänden nur in den seltensten Fällen so viel Zuspruch, dass sie sich wirtschaftlich betreiben ließen. Müller: »Wir haben sehr viel Geld für Communities ausgegeben und werden es nie wiedersehen.« Bereits Ende 2008 habe er deshalb »Gesundheit heute« (www.gesundheit-heute.de) verkauft. Neuer Eigentümer der von Droemer Knaur ab 2007 unter ernormen Anstrengungen entwickelten Community ist der Deutsche Ärzteverlag.

Die schwarze Null, geschweige denn ein Plus, hat Droemer Knaur im Bereich E-Content bislang nicht geschafft. »Wir haben mit unseren Investments bis heute noch nichts verdient«, gab Müller zu. Ernüchtert ist er dennoch nicht – und will weitermachen (Müller: »E-Content gehört zum Kerngeschäft«), in Kürze auch mit Inhalten für iPhone und iPod. In diesem Jahr soll die Verdienstschwelle erreicht werden; im Plan stünden 400.000 Euro, bis 2012 sollen die Einnahmen aus dem digitalen Geschäft auf fünf Millionen Euro wachsen.

Müller wollte über Irrtümer aufklären und auf Chancen hinweisen, sprach über Fehlentscheidungen und Erfolge – und er hatte für seine Kollegen ein Bündel von Empfehlungen dabei. Zum Beispiel:

  • - Reichweitenmodelle würden für Internet-Ratgeber von Verlagen nicht taugen. Kosten und Nutzen ließen sich kaum ins Verhältnis setzen.
  • - Wer digitale Geschäftsmodelle entwickle, müsse flexibel bleiben – und sein Produkt in kurzen Abständen immer wieder neu am Nutzerverhalten ausrichten. Digitale Geschäftsmodelle änderten sich ständig; es ginge darum »zielgerichtet Nutzen zu schaffen«.
  • - Vorsicht beim Direktgeschäft: Es gebe zwar Nischen, in denen sich viel machen ließe, generell sei es aber schwierig, hier Erfolg zu haben. »Natürlich sollte man das Geschäft mitnehmen, wenn es geht«, so Müller. »Aber wir haben nun mal kein Direktkunden-Know-how.« Das Feld sollten Verlage den Spezialisten aus dem Handel überlassen.
  • - Exklusiver Content bliebe eine »harte Währung« – darauf ließe sich aufbauen. In welcher Form? Müller: »Dafür gibt es kein Patentrezept.«

Eine klare Antwort auf die Frage, was zu tun ist, um in Zukunft mit nützlichen Informationen Geld zu verdienen, konnte Müller zwar nicht liefern. Aber das, so schien es zumindest, hatte am Ende seines Vortrags auch niemand mehr erwartet. Sein Erfahrungsbericht machte deutlich: Verlage können voneinander lernen – letztlich muss diese Frage aber jeder für sich selbst klären.

Voneinander zu lernen: Das war das Wichtigste, was die Jahrestagung geleistet hat. Impulse lieferten auch die Vorträge von AkR-Sprecherin Nadja Kneissler (Delius Klasing) und Reiner Blankhorn (Langenscheidt). Beide stiegen unmittelbar in die Praxis ein: Kneissler stellte eine Art Checkliste dafür vor, wie sich die internen Abläufe in und zwischen allen Abteilungen den neuen Anforderungen anpassen lassen – und Blankhorn zeichnete den Weg Langenscheidts »vom Büchermacher zum Content Manager« nach. Sein Fazit: »Was wir Verlage heute nicht anbieten, machen morgen andere.«

Die Botschaft dahinter ist klar: Der Zug rollt, und wer nicht überrollt werden will, muss runter von den Gleisen und einsteigen. Über das Gepäck – und damit die Geschäftsmodelle für den digitalen Markt – entscheidet jeder selbst. Was aber nicht heißt, dass Ratgeberverlage nicht zusammen könnten. Gemeinsamkeiten und Schnittstellen gibt es zuhauf, wurde in den Diskussionen klar. Eine Taskforce workflow online, die in den nächsten Wochen gegründet werden soll, will sich um Themen kümmern, die alle gleichermaßen angehen – etwa um eine Checkliste für die Umstellung der Arbeitsabläufe (alle Stationen von der Idee bis zur Honorierung).

Die Jahrestagung des Arbeitskreises Ratgeberverlage hat in diesem Jahr in München stattgefunden – am 22. und 23. April. Gastgeber war Droemer Knaur.