Ratgeberverlage und ihre digitalen Strategien

Der große Unterschied

16. Juli 2015
von Börsenblatt
Gedruckte Ratgeber sind gefragt wie schon seit langem nicht mehr: Dass seit Monaten ihre Umsätze wachsen, gibt Ratgeberverlagen Rückenwind – parallel dazu entwickeln sie ihr digitales Geschäft weiter. Welche Strategien einzelne Verlage hier fahren?
Lesern digitale Angebote zu machen, gehört für Ratgeberverlage zum business as usual. Dennoch könnten die Unterschiede kaum größer sein: Manche übersetzen nahezu ihr komplettes Programm in digitale Formate, bespielen oft auch die gesamte Bandbreite (E-Book, Enhanced E-Book, App) und erzielen nach eigenen Angaben damit bereits wirtschaftliche Erfolge. Andere setzen auf diesem Feld gerade zum Sprung an – und wieder andere wollen auch weiterhin von Fall zu Fall abwägen, ob sie einen Titel überhaupt als E-Book anbieten oder Zusatzangebote via App machen.

Ratgeberverlage und ihre digitalen Strategien (Auswahl)
  • Digitale Produkte zu entwickeln, steht bei BLV noch nicht im Fokus – entsprechend klein ist das Angebot: Derzeit gibt es im Programm knapp 30 E-Books (Format: PDF). Für den Herbst kündigt Geschäftsführerin Antje Wolf an, den Bereich zu erweitern.
  • Christophorus probiert sich auf digitalem Terrain aus (es gibt einzelne E-Books), der Verlag plant jedoch nicht, sein Programm 1:1 anzubieten. Stattdessen gibt es intern Überlegungen, parallel zu gedruckten Büchern digitale Inhalte zu entwickeln – die sie ergänzen. "Ein gedruckter Ratgeber ist von seiner Anwendung her immer noch deutlich besser", ist Geschäftsführer Bernhard Leuz überzeugt.
  • Der frechverlag hat sich in den vergangenen Jahren mit der Zielgruppe vernetzt („Mitstrickzentrale“, „Bastelzentrale“, Pinterest, Instagram u.a.), 2014 präsentiert der Verlag seine ersten E-Books und will ab Mitte des Jahres auch Einzelanleitungen digital anbieten.
  • Gräfe und Unzer (GU) hat mit einer Backlist von mehr als 400 E-Books (auch enhanced) und über 100 Apps die Nase vorn – fast alle Ratgeber erscheinen mittlerweile auch digital, Apps bieten in der Regel Zusatzinformationen zu den Büchern. Viele von ihnen erreichen Bestsellerstatus, zum Beispiel im AppStore (Apple): GU ist Dauergast in der Top Ten der Kategorien Essen & Trinken, Gesundheit und Natur. Laut Programmgeschäftsführerin Dorothee Seeliger arbeitet der Verlag derzeit an einem neuen, digitalen Geschäftsmodell – bis Sommer 2014.
  • Haupt Verlag: Bei Lizenztiteln spielen digitale Angebote kaum eine Rolle – bei eigenen Büchern entschiedet der Verlag von Fall zu Fall. „Oft entscheiden wir uns dann aber bewusst dazu, keine digitalen Angebote zu entwickeln“, sagt Lektoratsleiterin Regine Balmer. Bei ausgewählten Buchprojekten stellt Haupt zusätzliche Inhalte online zur Verfügung – als Serviceleistung (Videos, Zusatzinformationen zum Thema wie Bezugsquellen, Glossare u.a.). Der verlag fährt gut damit, will am digitalen Kurs laut Balmer deshalb auch nur wenig ändern: „Wir werden weiterhin bei jedem einzelnen Buchprojekt darüber nachdenken, ob ein zusätzliches digitales Angebot Sinn macht. Und natürlich beobachten wir die Entwicklung der digitalen Welt aufmerksam.“
  • Kosmos E-Book inside: Kosmos startet seine Naturführer-Reihe 2014 neu. Die acht Bände wurden optisch überarbeitet und können jetzt auch digital genutzt werden – ohne Aufpreis. Der Download der E-Books erfolgt über die Verlagswebsite (Karte mit Download-Code und Anleitung liegt jedem Buch bei). Was das restliche Programm angeht, wägt der Verlag ab: Bei Kosmos gibt kein durchgängig digitales Angebot.
  • Kreutzfeldt digital bringt eine digitale Ratgeber-Reihe auf den Markt – die Business Survival Guides. Die ersten vier Titel sind seit Wochenbeginn lieferbar; sie haben einen Umfang zwischen 10.000 und 15.000 Wörtern, werden über die gängigen Online-Shops angeboten (Amazon, iBookStore & Co.) und kosten je 2,99 Euro. Print-Pendants gibt es nicht, dafür aber – noch eine Premiere – einen Rückkanal zum Autor. Der Plan: Über ein Online-Formular stellen Leser inhaltliche Fragen; eine Auswahl der Fragen und Antworten wird später für alle veröffentlicht. Der Service ist kostenlos.
  • E-Books, Enhanced E-Books und Apps: Trias ist bereits auf allen Feldern aktiv und in den Download-Shops im Web gut vertreten, will sein Print-Programm 1:1 jedoch nicht 1:1 anbieten. „Wir trennen nicht nach Technik oder Plattform“, sagt Marketingleiterin Birgit Carlsen. „Bei uns steht die Frage im Mittelpunkt: Welches Bedürfnis hat die Zielgruppe und mit welchem Angebot können wir es bestmöglich bedienen.“ Die Erfahrungen, die sie damit machen würde, seien bunt und lehrreich, in jedem Fall gewinne der Verlag neue Leserinnen. Aus wirtschaftlicher Perspektive aktuell besonders lohnend: das Geschäft mit E-Books.

 

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