Roland Reuß sieht den Verfassungsschutz in der Pflicht

Kritik an BMBF-Strategiepapier zu Open Access

28. September 2016
von Börsenblatt
Der Heidelberger Literaturwissenschaftler Roland Reuß, Mitinitiator des Heidelberger Appells, hat das Strategiepapier des Bundesbildungsministeriums zu Open Access in der "FAZ" vom 28. September scharf kritisiert.

Roland Reuß wirft dem Ministerium unter anderem vor, sich mit der Open-Access-Strategie über verbriefte Grundrechte (vor allem die Freiheit von Lehre und Forschung in Artikel 5 des Grundgesetzes) hinwegzusetzen. Das Strategiepapier schreibe für Publikationen, die aus BMBF-geförderten Forschungen hervorgehen, "eine zwangsweise Open-Access-Veröffentlichung" vor.

Das Interview mit der "Welt", mit dem Bildungsministerin Johanna Wanka das Open-Access-Papier in die Öffentlichkeit lanciert hatte, ist in Reuß' Augen ein schwer verdauliches Gemisch aus "neoliberalen Vorstellungen von Wissenschaftsmärkten", "virtueller DDR 5.0 (mit Enteignung der geistigen Produktion)" und "Staatsautoritarismus wilhelminischer Anmutung". Reuß' Kritik gipfelt in dem Satz, dass der "staatlich verbrämte Übergriff in verbürgte Grundrechte" ein Fall für den Verfassungsschutz sei.

Das Strategiepapier
In dem von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka veröffentlichten Strategiepapier werden Leitprinzipien und Ak­tionsfelder der Open-Access-Strategie festlegt. Darin heißt es unter anderem:

  • Open Access soll in Deutschland auf Landes- wie Bundesebene »zum Standard des wissenschaftlichen Publizierens werden«. Einige Länder, zum Beispiel Baden-Württemberg, haben das Postulat, Open Access zu stärken, bereits in ihre Landeshochschulgesetze aufgenommen.
  • Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt »Wissenschaft und Forschung auf ihrem Weg zu einer umfassenden Open-Access-Kultur«.
  • Open Access soll als »Grundprinzip in der Förderung« verankert werden. Die Ministerin erwartet ein deutliches Bekenntnis der Politik und der Forschungsförderer, »dass Open Access als Publikationsweg gewünscht und unterstützt wird«.
  • Open-Access-Publikationen sollen »vergleichbare Anforderungen der Qualitätssicherung erfüllen wie traditionelle Publikationen«.

An den Hochschulen müsse auf allen Ebenen das Bewusstsein gestärkt werden, dass "Open-Access-Publikationen bei der Vergabe von Mitteln oder der Besetzung von Stellen ebenso zu berücksichtigen sind wie klassische Verlags­publikationen". In Verlagskreisen sorgt die Open-Access-Strategie von Bund und Ländern seit Jahren für Unmut, weil sie die Publikationsfreiheit einschränke.

roe