Round Table zu E-Books

"Preise nah am Hardcover"

23. Juli 2015
von Börsenblatt
E-Books sollten nicht unter Wert verkauft werden. In Zürich diskutierten die Verleger Elisabeth Ruge und Thomas Carl Schwoerer mit den Agenten Peter S. Fritz und Sebastian Ritscher über Kopierschutz, Marktchancen, Preisgestaltung, Preisbindung und Autorenhonorare.
Gibt es in der Frage Kopierschutz für E-Books zwischen literarischen Agenten und Verlagen einen Konsens? Peter S. Fritz: Wir haben in Zürich im Arbeitskreis Kopierschutz darüber gesprochen, wobei hier bereits verschiedene Ansichten zutage traten. Als Vertreter der Autoren sind wir für einen wirkungsvollen Kopierschutz, das Wasserzeichen überzeugt uns nicht wirklich. Andererseits sehen auch wir die berechtigten Einwände, welche die höhere Kundenfreundlichkeit des Wasserzeichens zu bedenken geben. Thomas Carl Schwoerer: Die Verschlüsselung als Form des Kopierschutzes hat zunehmend ausgedient, weil sie kundenunfreundlich ist für alle, die über kein ausgeprägtes technisches Verständnis verfügen. Die Beschwerden unserer Kunden sprechen hier eine klare Sprache. Wir müssen kundenfreundliche Lösungen anbieten, wenn dieser Markt wachsen soll und wir nicht die Fehler der Musikindustrie wiederholen wollen. Im Übrigen sind Verlagsdateien von E-Books kaum auf Tauschbörsen anzutreffen. Dort finden sich hingegen viele illegal eingescannte Bücher, und gegen diesen Missbrauch muss auf der Grundlage des Urheberrechtsgesetzes vorgegangen werden. Sebastian Ritscher: Im Zweifelsfall muss das Interesse des Urhebers an einer kontrollierbaren Verbreitung seines geistigen Eigentums höher zu bewerten sein als die Anwenderfreundlichkeit. Es zeichnet sich ab, dass weniger Formate für eBooks im Einsatz sein werden als im Musikbereich. Damit lassen sich auch Kopierschutzsysteme wesentlich einfacher standardisieren und zuverlässiger betreiben. Wir halten die erkennbare Hürde, welche aktive Schutzsysteme bei jedem eventuellen Kopiervorgang bieten, für psychologisch wirkungsvoller als das Wasserzeichen, dass als Hinweis nicht einmal so abschreckend wirkt wie die Hinweise auf einer Zigarettenschachtel. An erster Stelle aber sollte eine Publikumskampagne stehen, welche für die Notwendigkeit solcher Schutzsysteme um Verständnis wirbt. Dass es sinnvoll ist, das Unrechtsbewusstsein anzusprechen, zeigen die Erfahrungen der Verlage mit sehr maßvollen Abmahnungen, wie sie der AK Kopierschutz empfielt: Es gibt praktisch keine Wiederholungstäter. Elisabeth Ruge: Übertriebene Kopierschutzmaßnahmen schrecken den Leser doch eher ab, als dass sie helfen. Sie sind oft unnötig kompliziert und bremsen die Entwicklungen auf dem Markt. Wir müssen den Lesern attraktive Angebote machen, wie es sie bei den Audio-Inhalten mittlerweile gibt. Damit wird auch die Bereitschaft vorhanden sein, für E-Books zu zahlen. Wieviel? Was dürfen und was müssen E-Books kosten? Fritz: Bisher haben wir für Print-Bücher die Preisgestaltung den Verlagen überlassen und möchten dies auch bei E-Büchern tun. Gleichzeitig haben wir aber Bedenken, weil Verlage nach unserer Erfahrung oft kurzfristige Umsatzfeuerwerke mit Billig-Aktionen zu erreichen suchen – dies besonders im Taschenbuch-Bereich auf Kosten der eh schon unterkalkulierten Bücher. Die Frage lautet also: Was kann unternommen werden, damit die E-Bücher, welche ja geistiges Eigentum unserer Autoren transportieren, nicht zu Schleuderpreisen auf den Markt geworfen werden, nur damit Lesegeräte verkauft werden können? Schwoerer: Das wichtigste Instrument dafür ist die Preisbindung für E-Books, mit der die Verlage einen hinreichend hohen Ladenpreis gegenüber den Anbietern von Lesegeräten durchsetzen können. Die Verlage sind gut beraten, möglichst hohe Ladenpreise für E-Books zu erzielen, im eigenen und im Interesse ihrer Autoren. Noch dazu könnten die Preise ihrer Print-Bücher durch Billigpreise für elektronische Inhalte unter Druck geraten, und nicht zuletzt wird bei E-Books fast die dreifache Mehrwertsteuer wie für Print-Bücher abgezogen. Ritscher: Wer öffentliche Netzwerke als Vertriebsweg für kostbare kleine Datenmengen wie E-Books nutzen möchte, wird es sehr schwer haben. Denn dort tummeln sich schon längst Klingeltöne, Kurzfilme und die neusten Tophits zu 90 Cents das Stück – nebst riesigen illegal kopierten Datenmengen. Die Preise für E-Books müssen diesem Druck aber standhalten und nahe am Kernprodukt unserer Branche bleiben, dem gedruckten Buch. Wenn das misslingt, rentiert sich das Projekt E-Book bestenfalls fürs Silicon Valley und die Hersteller von Kupferleitungen. Ruge: Die Preise für E-Books sollten den Wert widerspiegeln, den sie für den Leser haben. Ein Vorteil der E-Books ist beispielsweise, dass sich mit ihnen leicht Zusatzangebote verbinden lassen, und dies sollte sich dann auch auf die Preisgestaltung auswirken. Die Leser werden den Mehrwert erkennen und entsprechend dafür bezahlen. Wir müssen diese Produktvorteile allerdings auch offensiv kommunizieren, damit sie erkannt und verstanden werden. Wie sieht denn konkret die Vorteilsliste für E-Books aus? Fritz: Ein E-Book kann im Vergleich zur Printversion durchaus Zusatzfunktionen haben. Ich denke da zum Beispiel an Volltextsuche. Aber es gibt auch deutliche Nachteile: Etwa wird der Kunde kaum erwarten, dass er zwei oder drei Lesegeräte später das Buch noch „besitzt“ und das Verschenken der E-Books wird auch nicht reizvoll sein. Schwoerer: Ein großer Vorteil ist die ständige Verfügbarkeit von Inhalten, egal, wo sich der Kunde gerade befindet, ein anderer – zum Beispiel beim PDF – die Möglichkeit, im Dokument zu arbeiten, Markierungen und Notizen vorzunehmen. Wir stellen solche Vorteile sowohl den Endkunden in unserem Webshop als auch den Firmenkunden dar. Ritscher: Im Vergleich zu Online-Recherchen in dynamischen Datensystemen halte ich die Durchsuchbarkeit von statischen Daten auf isolierten Offline-Speichergeräten wie dem E-Book-Reader nicht für einen besonderen Mehrwert. Den Hauptnutzen des E-Books für den Anwender sehe ich deshalb in der einfacheren Verfügbarkeit und der höheren Mobilität. Der Charme der Lesegeräte hält sich bisher auch in engen Grenzen. Ruge: Für uns Verlage ergibt sich noch ein weiterer Vorteil daraus, dass sich die Bücher recht einfach aktualisieren lassen und dass sie nicht remittierbar sind. Und: E-Books sind umweltfreundlich. Und was dürfen sie nun konkret kosten? Fritz: Unter dem regulären Taschenbuch-Preis sollten E-Books keinesfalls verkauft werden. Was wäre ein für die Verlage tolerierbarer Preisabstand des E-Books zum Hardcover? Schwoerer: Zehn bis 15 Prozent vom Ladenpreis. Ruge: Wenn wir akzeptieren, dass E-Books nicht unter dem regulären Taschenbuchpreis angeboten werden, dann bewegen wir uns in einer bestimmten Preisspanne. Dabei sollten wir natürlich versuchen, so nah wie möglich am Preis des Hardcovers zu bleiben – wir müssen unseren Kunden vermitteln, dass es auch bei einem E-Book primär die geistige Urheberschaft ist, die bezahlt wird. Ist die Preisbindung bei E-Books zu halten? Ruge: Ja, wir sollten alles dafür tun – die Preisbindung ist mehr als wünschenswert. Schwoerer: Es muss in unserem Interesse sein, sie zu halten, um die ohnehin in den letzten Jahren stagnierenden oder sinkenden Preise gedruckter Bücher nicht noch weiter unter Druck zu bringen. Entsprechend ist das Votum des Branchenparlaments kürzlich ausgefallen, mit nur einer Gegenstimme. Werden kleinere und größere Verlage gleichermaßen ins E-Book-Geschäft einsteigen? Fritz: Die Erkenntnis, dass mit E-Books in absehbarer Zeit nichts verdient werden kann, auf die Verlage aber doch hohe Investitionen zukommen und ein hohes Titelvolumen das Geschäft erst tragbar macht, dürfte wohl die Verlagswelt zweiteilen. Große Verlagsgruppen können die Kosten auf ein großes Angebot von Content, also Titeln, umlegen. Schwoerer: Unsere Antwort als mittlerer: Wir müssen auf der ganzen Klaviatur der Vertriebskanäle spielen. Wir arbeiten deshalb mit libreka! zusammen, starten das Geschäft mit den Lesegeräten gemeinsam mit dem Buchhandel, verkaufen E-Books von Fachbüchern in Zusammenarbeit etwa mit Ciando und bedienen Firmenkunden mit unserer Digitalen Bibliothek. Ruge: Größe ist nicht alles. Mit Kreativität und der Fähigkeit, schnell und flexibel auf Entwicklungen zu reagieren, lässt sich in den kleineren und mittleren Verlagen schon einiges aufwiegen. Die Frage ist eher, was die großen Häuser tun sollten. Die Gretchenfrage für Autoren und ihre Agenten lautet: Welchen Anteil am Profit spülen E-Books den Kreativen ins Portemonnaie? Fritz: Von den Verlagen wird den Autoren ein Standard von 20 Prozent vom Nettoerlös (welcher mindestens 50 Prozent vom empfohlenen Endkundenpreis betragen soll) angeboten. Aufgrund der vorgelegten Kalkulationen ist das für die Agenten denkbar, wobei mit den gesammelten Erfahrungen später die Berechnungen wieder überprüft werden müssen. Ich denke an die weitere Zukunft: Sollte es mal Autoren mit fünfstelligen Verkäufen im E-Book-Bereich geben, dann wären die Stückkosten geringer und für einen solchen Autor 25 Prozent vom Nettoerlös angemessen. In absehbarer Zeit werden den Autoren bestenfalls dreistellige Summen an Honoraren gutgeschrieben. In Euro und Cent betrachtet, ist gegenwärtig der Honorarsatz zweitrangig. Wichtig für Verlage wie auch Autoren ist, dass die Verlage zunächst versuchen, dieses Geschäftsfeld zu besetzen. Schwoerer: Ich befürworte sehr, dass man E-Books mit 20 Prozent vom Nettoerlös kalkuliert, weil dies Autoren einen etwas höheren Honoraranteil als im Printgeschäft garantiert, sie sogar deutlich besser stellt als im Mix zwischen Hardcover und Taschenbuch und eine einfache Lösung bietet, die ohne hohen Verhandlungsaufwand auskommt. Es versteht sich, dass für Hörbuch-Downloads ein erheblich geringerer Prozentsatz zu vereinbaren ist, der nahe bei den Honoraren für körperliche Hörbücher liegt. Klar ist auch, dass obige Honorare mit dem Vorschuss fürs Print-Buch verrechnet werden, sofern sie gleichzeitig vereinbart und nicht erst nachträglich eingeholt werden. Und klar ist schließlich ebenfalls, dass die vertraglichen Laufzeiten der körperlichen Ausgaben (Buch und Hörbuch) von den Laufzeiten der unkörperlichen Ausgaben (E-Book und Hörbuch-Download) abgekoppelt werden: Wenn also die Rechte an den körperlichen Ausgaben vor Ablauf der regulären Laufzeit zurückfallen, dann können die unkörperlichen Ausgaben dennoch bis zum Ende der Laufzeit weitervertrieben werden. Ritscher: Nicht alle unsere Klienten werden auf das in den USA verbreitete Honorar von 25 Prozent verzichten, das ja unlängst noch bei 50 Prozent lag. Wir führen täglich Einzelgespräche mit unseren Klienten. Darin geht es nicht nur ums Honorar, sondern auch um Fragen wie die Auswirkung der ausschließlich elektronischen Lieferbarkeit auf die Lizenzdauer, die Kontrolle der Rechtegeber durch direkten Zugriff auf Vertriebsvereinbarungen, die Stückelung von Büchern in Einzelteile, Bundling mit anderen elektronischen Inhalten und so weiter. Angesichts der Vielzahl der Beteiligten und deren unterschiedlichen Meinungen steht ein Branchenstandard im Verhältnis zu amerikanischen Rechtegebern noch nicht unmittelbar bevor. Ruge: Ich begrüße ebenfalls die Variante, bei der sich das Autorenhonorar nach dem Nettoerlös errechnet. Das gibt uns allen, sowohl den Autoren als auch den Verlagen, mehr Flexibilität und macht die Transaktionen transparenter und verständlicher. Fritz: Anfangsinvestitionen sind in allen Branchen und Unternehmungen überproportional teuer. In die von Verlegerseite präsentierten Zahlen sind hier zum Teil ebenfalls solche Kosten eingeflossen. Es gibt aber auch Firmen in Deutschland, zum Beispiel Readbox, welche den Autoren 30 Prozent Honorar vom Erlös anbieten und imstande sind, die gängigen Formate preiswerter zu erstellen. In der Honorarfrage vertraue ich dem Wettbewerb. Unsere Erfahrung zeigt belegbar, dass Verlage mit besseren Honoraren und Vertragsbedingungen tendenziell mit tieferen Vorauszahlungen zum Abschluss kommen. Mein Wunsch heute ist, dass die Verlage Mut fassen, diesen Geschäftszweig proaktiv anzugehen. Sind die Kostenrechnungen denn schon transparent genug? Fritz: Wir Agenten zeigen uns da noch zögerlich – aus historischen Gründen. Bis 1914 war in Deutschland ein Autorenhonorar von 15 Prozent vom Ladenpreis Standard. Das wurde dann wegen des kriegsbedingten wirtschaftlichen Notstands auf zehn Prozent abgesenkt. Inzwischen ist der Erste Weltkrieg schon etwas länger zu Ende, aber auf die Rückkehr zu den 15 Prozent warten wir immer noch. Im Gegenteil, die Verlage versuchen seit einigen Jahren vehement, ein Anfangshonorar von 8 Prozent durchzusetzen. Angeführt werden dabei Aufgaben der Verlage, welche schon immer als Selbstverständlichkeit bestanden haben. Es bedarf also der Zusage der Verlage zu Transparenz und späterer Verhandlungsbereitschaft, welche auch von den Autoren und Agenten gefordert wird. Können die Verlage eine solche Zusage machen? Schwoerer: Ja, unter Berücksichtigung der Kosten des Verlags für den Ausbau seiner Online-Datenbank und der dazugehörigen Vertriebsstruktur. Ritscher: Die Verlage und ihre Vertriebspartner müssen mit hoher Transparenz Vertrauen schaffen. Klare Kostenstrukturen und verständliche Abrechnungen sind dafür eine unerlässliche Voraussetzung. Ruge: Wir haben kein Problem mit der Transparenz, aber zu bedenken ist auch, dass mit der Publikation von E-Books signifikante Vorlaufkosten verbunden sind, die sich schwerlich auf die einzelnen Titel umlegen lassen. Das muss bei den Diskussionen berücksichtigt werden. Die Teilnehmer des Round Table: Peter S. Fritz, Literaturagent, Paul & Peter Fritz AG, Zürich Sebastian Ritscher, Literaturagent, Mohrbooks, Zürich Elisabeth Ruge, Verlegerin, Berlin Verlag, Berlin Thomas Carl Schwoerer, Verleger, Campus Verlag, Frankfurt Der Round Table zu E-Books fand anlässlich eines Treffens des Arbeitskreises Kopierschutz in Zürich statt.