Schweizer Branchenjournalist und Autor gestorben

Carlo Bernasconi ist tot

27. Oktober 2016
von Stefan Hauck
Ihn kannte jeder, der mit Buchhandlungen, Verlagen, Literatur in der Schweiz zu tun hatte: Gestern Nachmittag ist der Journalist Carlo Bernasconi (64) in Zürich seinem Krebsleiden erlegen. Lange Jahre war er unser Börsenblatt-Korrespondent in der Schweiz, bevor er 1998 Chefredaktor des "Schweizer Buchhandels" wurde.

Er war knorrig, eigenwillig, sagte seine Meinung oft unverblümt: Mit einem "Das ist einfach Quatsch!" wies er die Texter der Superlative sofort in ihre Schranken. Lobhudelei konnte von ihm kein Verlag erwarten, da ließ er sich nicht verbiegen. Dafür war er stets gut informiert, hatte Hunderte Quellen, analysierte mit scharfsinnigem Verstand, ließ nicht locker. Wenn ihm etwas Wichtiges länger durch den Kopf ging, rief er an, egal welcher Wochentag und welche Uhrzeit es war: "Sag' mal", fing er an und kombinierte in schwindelerregender Geschwindigkeit seine Fakten, zog unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten heran, teilte laut seine Gedanken: "Ist das logisch? Macht das Sinn?"

Carlo Bernasconi war Journalist mit Leib und Seele, ihm machte der Umgang mit Menschen sichtlich Spaß. Zudem war er ein Genießer, dessen zweite Leidenschaft das Kochen war. Von seiner Mutter, die eine begnadete Köchin war, hatte er das Handwerk gelernt, und Carlo probierte aus, verfeinerte, variierte Rezepte, schrieb Kochbücher (derzeit lieferbar: "La Cucina verde", "La Cucina dolce" (Jacoby & Stuart), "Italia" (Kosmos)), für die er vielbeachtete internationale Auszeichnungen erhielt. Zudem veröffentlichte er in seinem eigenen Verlag "Edition Cucina e Libri" besondere Titel, die etwa Spargel oder Äpfel in den Mittelpunkt stellte - auch dazu gab es in seinem kleinen Restaurant unweit des Zürichsees eigene Degustationen. An einigen Tagen der Woche hatte der Chefredaktor da abends geöffnet; in seiner Mittagspause kaufte er frische Lebensmittel ein, und wenn er am Telefon erzählte, dass ihm ein besonderer Fang gelungen war, schilderte er das so anschaulich, dass einem das Wasser im Mund zusammenlief. Vielleicht 25 Plätze hatte sein "Heimelig da Bernasconi", und es sollte heimelig sein, wo sich auch immer wieder Menschen aus der Buchbranche trafen. Im vergangenen Jahr hatte er dieses Konzept der Cucina e Libri auf einen vegetarischen Schwerpunkt konzentriert, achtete auf beste biologische Zutaten und nannte sein Restaurant Osteria Candosin im Gedenken an seine Mutter Antonietta Candosin. Einige Male hatte ich ihm in der Küche geholfen – und ihn beim Kochen zu erleben, war ein Ereignis: wie er souverän zwischen den Töpfen und Pfannen hantierte, genau wusste, wann etwas "à point" war, und nicht mit Tipps geizte. Draußen im Restaurant war er dann der Gastgeber, dem vor allem eines wichtig war: den Gästen das Genießen zu vermitteln.

Freunde hatten in den vergangenen Monaten weiter für ihn den Betrieb am Laufen gehalten, es war ihm wichtig, ein sichtbares Zeichen seines Lebens, dessen Großteil der Buchbranche gewidmet war. 30 Jahre war er Branchenjournalist, bis Herbst 1998 unser Börsenblatt-Korrespondent in der Schweiz, danach wurde er Chefredaktor des "Schweizer Buchhandels", bis Ende 2014. Seine ebenso luziden wie launigen Kommentare, seine Anrufe, seine kritischen Rezensionen und Analysen, die er zuletzt für uns schrieb, werden uns fehlen. "Sollen die doch sehen, wie sie klarkommen", sagte er gerne mal. Jetzt müssen wir sehen, wie wir ohne ihn klarkommen.