Serie: 190 Jahre Börsenverein in 19 Objekten (15/19)

"Was aber bleibet!" − die Sammlung der Antiquariats- und Auktionskataloge

6. Juli 2015
von Börsenblatt
Eine viel zu wenig beachtete historische Quelle des Buchwesens sind Antiquaritskataloge, findet Börsenvereins-Archivar Hermann Staub. Im 15. Teil unserer Serie stellt er Schmuckstücke der gewaltigen Sammlung der Kataloge in den Deutschen Nationalbibliotheken vor.

Kataloge „bilden das schriftliche Hauptvermächtnis des Antiquars", hat der bekannte Antiquar Eberhard Köstler vor einigen Jahren seinen Berufsgenossen ins Stammbuch geschrieben. Und: „Ein Antiquar, der keine gedruckten Kataloge veröffentlicht, ist dem sofortigen Vergessen anheimgegeben." Dennoch: Unter Kostendruck und Renditezwang erblicken immer weniger Kataloge das Licht des Tages, weichen immer mehr Antiquare in die Weiten des Internets aus. Lieber vergessen als pleite? Sind wir Zeugen des schleichenden Aussterbens einer Spezies des gedruckten Buches? Jenseits der Tagesfragen allerdings gilt, dass die Kataloge des Antiquariatsbuchhandels bleibenden Wert als historische Quellen besitzen. Entsprechend hat man im Frankfurter Börsenverein bereits 1949 beschlossen, diese Quellen dauerhaft zu sichern.

Einer, der sich schon zeitbedingt um die oben gestellten Fragen keine Gedanken machen musste, war Martin Breslauer (1871-1940). Er war einer der ganz Großen seiner Branche, Idealbild des gelehrten Antiquars, selbst leidenschaftlicher Sammler und Mitbegründer mehrerer bibliophiler Vereinigungen. 1937 wurde er, der Zeitgenossen als „König der Antiquare" galt, ins Londoner Exil gezwungen, wo er an den Folgen eines deutschen Bombenangriffs starb. Die Produktion von Katalogen war sein täglich Brot, er beherrschte sie meisterhaft. Das Handexemplar seines ersten Katalogs aus dem Jahr 1905 dürfen wir ohne Übertreibung als „Zimelie" titulieren. Der berühmte Londoner Antiquar Bernard Alfred Quaritch lobte ihn aufs höchste, im Börsenblatt wird er als „Pracht-Katalog, dessen Studium allen Bibliophilen und Antiquaren angelegentlichst empfohlen werden kann", angepriesen.

Breslauers „First“ steht hier pars pro toto für in der Bundesrepublik einmalige Sammlungen von gedruckten und ungedruckten Quellen zur Geschichte des Antiquariatsbuchhandels, einer in der Historiografie des deutschen Buchhandels zu Unrecht vernachlässigten Sparte. Die Deutsche Nationalbibliothek besitzt in ihrem Deutschen Buch- und Schriftmuseum in Leipzig sowie der Bibliothek und dem Historischen Archiv des Börsenvereins in Frankfurt am Main neben der einschlägigen Sekundärliteratur Geschäftsrundschreiben aus dem 18. und 19. Jahrhundert, Dokumentationen und kleinere Materialsammlungen zu einer Vielzahl von Antiquariaten und Auktionshäusern und ihren Inhabern. Von einzigartiger Bedeutung ist eine Sammlung von fast 60.000 Auktions- und Antiquariatskatalogen an beiden Standorten der Deutschen Nationalbibliothek. Sie bildet den nach Zahl und Umfang größten Einzelbestand zur Antiquariatsgeschichte und enthält die bedeutendsten gedruckten Quellen zum Fachgebiet in Deutschland.

Hermann Staub (h.staub@dnb.de)