Silvia Maul plädiert für eine stärkere Fachbuch-Präsentation

Mut zu mehr Niveau

4. Mai 2016
von Börsenblatt
Der Buchhandel sollte nicht die Flinte ins Korn werfen, wenn es um anspruchsvolle Inhalte geht. Silvia Maul spricht sich für eine offensive Präsentation von Fachbüchern und gehobenen Sachbüchern aus.

Auf das Fachbuch wird im Buchhandel immer häufiger der Abgesang angestimmt. Dafür gibt es Gründe: Lehrende und Lernende, aber auch Berufspraktiker besorgen sich ihren Stoff immer mehr im Internet, wahlweise bei Onlinehändlern oder durch Downloads, auf Lernplattformen und einigen anderen Wegen. Da geht es in erster Linie um Pflichtlektüre, die zum Erwerb von gesetzten Wissensständen notwendig ist. Eine breite universitäre Bildung mit Kontextwissen ist immer weniger Pflicht, leider. Letztlich merkt die Gesellschaft aber spätes­tens in der Berufspraxis, dass sich ein Job in der Sache und auch persönlich viel besser erledigen und weiterentwickeln lässt, wenn man zuvor verbrieftes und nachhaltiges Wissen erworben hat. Wissen erfreut sich zudem in der Mediengesellschaft großer Beliebtheit. Quizshows, Reportagen und Dokumentationen in Film und Fernsehen zeugen davon.

Natürlich ist die "harte" Wissenschaft, die zum Beispiel für die Forschung hochgradig spezifizierten Standards genügen muss, längst Besorgungsgeschäft geworden. Aber Fachbuch ist ein weiter Begriff: Darunter fallen eine Menge Buchtypen, die leider en gros im Buchhandel immer weniger als potenzielle Verkäufe behandelt werden. Man hat sich vorschnell von der Idee, dass Fachbuch noch in der Standortbuchhandlung möglich ist, verabschiedet. Je weniger Sortiment aber gewagt wird, desto eher verliert man am Fachbuch interessierte Kunden an das Netz, weil es sich für sie nicht mehr lohnt, bei ihrem Buchhändler zu stöbern.
Weshalb? Weil man sich die Sortierung und Beratung in dem Bereich nicht mehr zutraut? Dabei kann man sich mit weniger Lesearbeit als bei der Belletristik einen Überblick über ein Fach- oder Sachbuch verschaffen. Oder weil man sich für diese Inhalte nicht interessiert? Auch nicht jeder Roman macht Spaß – wenn man ihn aber verkaufen können will, muss man sich auf ihn einlassen.
Ein wissbegieriger Kunde kann von seiner Fachwelt auch in der Buchhandlung eingeladen werden, dazu gehört natürlich vor allem ein gut durchdachtes Sortiment mit Pflicht und Kür. Viele Verlage bieten mittlerweile moderne Formate an, mit denen sich Wissen leichter erschließen lässt, auch umfangreiche Lehrbücher sind schon lange modernen Lernmechanismen angepasst. Viele Fachthemen werden mittlerweile so anschaulich und einführend aufgeschlossen, dass sich der viel zitierte "interessierte Laie" ebenfalls damit beschäftigen und gut informiert fühlen kann. Das gilt auch für das anspruchsvolle Sachbuch, das viel zu oft aus der Auslage verbannt wird.
Warum greift der Buchhandel nicht aktiv bekannte Wissens­trends auf und inszeniert Fach- und Sachbücher nach dem Motto: "Schauen Sie gern Dokumentationen? Hier ­finden Sie das Vertiefungswissen dazu." Auf sichtbar platzier­ten, buchtypenübergreifenden Thementischen können Fach- und Sachbücher vielfältige Aspekte zusammentragen und ­einen ganzen Wissenskomplex ausleuchten. Ein Akademiker, der sein Fachbuch sucht, ist zugleich Sachbuchkunde und umgekehrt.
Das Angebot an anspruchsvollen Reflexionen zu gesellschaftlichen Themen ist zu groß, um es an jedem Standort in vollem Umfang zu präsentieren. Aber zwischen Alles und Nichts bleibt genügend Raum für die Präsentation von Fach- und Sachliteratur. Und die Kasse freut sich bei höheren Durchschnittsladenpreisen auch. Wissen wagen – wer, wenn nicht der Buchhandel?