Sinnvoll für die Zukunft planen

Dialog mit der Zukunft

27. März 2018
von Börsenblatt
Wie können Unternehmen sicherstellen, dass ihr Geschäftsmodell auch in vielen Jahren noch funktioniert? Der Zukunftsforscher Harry Gatterer hat dazu eine Methode entwickelt: den Future Room.

Die Geschäfte laufen gut. Doch das ist kein Grund, sich zurückzulehnen. Gerade dann sollten Unternehmen sich Gedanken machen, wie ihre Situation in einigen Jahren oder Jahrzehnten aussehen könnte.

Viele überfordert das. Der Zukunftsdiskurs in den Medien beschränkt sich häufig auf Trendbegriffe wie künstliche Intelligenz, Digital Services oder Überalterung der Gesellschaft, ohne dass sinnvolle Verbindungen zum Wirtschaftsleben und zur Arbeitswelt hergestellt würden. Daraus entwickeln wir "ein unklares und verworrenes Bild der Zukunft, das uns beunruhigt und überwältigt", schreibt Harry Gatterer, Geschäftsführer des Zukunftsinstituts in Frankfurt am Main und Wien. In der Regel reagieren Unternehmen mit zwei verschiedenen Reflexen: Entweder machen sie beharrlich so weiter wie bisher. Oder sie blasen zum Angriff – und werfen quasi über Nacht alles um.

Gatterer hat eine aus seiner Sicht bessere, maßvollere Methode entwickelt: den "Future Room" (Murmann Publishers, 192 S., 39,90 Euro). Er weiß, dass der Versuch, in die Zukunft zu blicken, ein Stück weit der berühmten Glaskugel gleicht. Dennoch ist er überzeugt, dass eine Firma ihr Zukunftspotenzial erkennen und mit besseren strategischen Entscheidungen den Geschäftsbetrieb von morgen maßgeblich gestalten kann.

Der Future Room ist kein physischer Raum, er ist ein "Denk- und Gestaltungsraum", wie Gatterer es nennt. "In Form von implizitem Wissen, Verständnis und Gefühl der handelnden Personen ist er bereits in jedem Unternehmen vorhanden. Seine Kraft setzt er jedoch erst frei, wenn Entscheidungsträger im Unternehmen sich auf ihn einlassen."

Der erste Schritt beginnt mit einer Selbstdiagnose: Welche Ideen, Emotionen und Gedanken treiben das Unternehmen an? "Ein gelingendes Be­obachten der eigenen Organisation erfordert Methode und ein wenig Übung", weiß Gatterer. Häufig wird die Wahrnehmung der Führungskräfte durch innere Filter überlagert, etwa durch das unmittelbare Geschäftsumfeld oder durch die gesamte Branche. "Unternehmen brauchen im Blick auf die Zukunft nicht noch mehr Informationen – sie müssen die relevanten Informationen identifizieren, die eigene Wahrnehmung und die Verbindungen des Unternehmens zur Welt", formuliert es Gatterer.

Stellenweise schreibt er etwas verklausuliert. Konkret und nachvollziehbar wird es anhand der Fälle, die im Verlauf des Buchs immer wiederkehren. Eine Tankstelle zum Beispiel sollte statt einer eher allgemeinen Zukunftsfrage – Gibt es in 20 Jahren noch Tankstellen? – eine individuelle Zukunftsfrage stellen, die eng auf das eigene Unternehmen bezogen ist. Etwa: "Welche Kunden können wir in Zukunft ansprechen, und was ist unsere Rolle?"

Die Zukunftsfrage ist der Schlüssel zum Future Room. Sie entsteht in vielen Diskussionen, manchmal erst über Wochen oder Monate, und muss womöglich im laufenden Prozess angepasst werden. Denn es kann sich herausstellen, dass beim Blick auf die Zukunft der falsche Denkrahmen gewählt wurde. Gatterer nennt ein Beispiel aus der Hotelbranche, wo Verantwortliche darüber sinnierten, wie Hotelzimmer in einigen Jahren aussehen könnten. Wer so denkt, wird nie auf grundlegende Veränderungen kommen, wie sie die Vermietungs-Plattform Airbnb hervorgebracht hat.

Im praktischen Teil des Buchs geht es um die richtige Anwendung der Methode. Ausgehend von sieben "Spaces" – Produkt, Verfahren, Organisation, Markt, Wirtschaft, Gesellschaft und Mensch – wird der "Dialog mit der Zukunft" begonnen. Er speist sich, wie sollte es anders gehen, aus dem Blick von heute: Gibt es zum Beispiel bereits schwache Signale auf Ereignisse, die extreme Auswirkungen haben könnten, dann spricht die Zukunfts- und Trendforschung von "Wildcards". Das können ganz konkrete Technologien sein, die etwa aus China nach Europa kommen könnten. Oder ein Thema, zu dem in letzter Zeit verstärkt Nachfragen kommen.

Aber auch etwas weichere Zukunftsthesen, die sich aus der Gesellschaft ableiten lassen, spielen im Future Room eine Rolle: etwa der Trend zur Sharing-Kultur, zu Achtsamkeit oder dem aus Dänemark stammenden Hygge-Lebensstil. Aus all diesen Elementen entsteht das "Big Picture", das ein Unternehmen im Future Room von sich zeichnet.