So sammeln Firmen Pluspunkte bei Bewerbern

Mit Liegeplatz für den Hund

12. April 2018
von Börsenblatt
Unternehmen wollen die besten Arbeitskräfte für sich gewinnen. Worauf kommt es dabei an? Das aktuelle Sonderheft des "Harvard Business Manager" liefert erstaunliche Einsichten. 

Zum vierten Mal hat der "Harvard Business Manager" sein jährliches Spezialheft herausgebracht. Nach Leadership, Change Management und Strategie sind 2018 die Talente dran. "Ein Heft über die knappste Ressource: gute Mitarbeiter", heißt es im Untertitel. Auf 116 Seiten beschäftigen sich die Kollegen aus dem Hause "Manager Magazin / Spiegel" mit Trends und Strategien rund ums Recruiting, aber auch mit den Erwartungen des begehrten Nachwuchses.

Zum Einstieg beleuchten 20 ganz unterschiedliche Menschen, Gründer, CEOs, Wissenschaftler und Fußballtrainer, was Talent für sie bedeutet und wie sie es erkennen. Claudia Kessler zum Beispiel, Chefin des bundesweit einzigen Personaldienstleisters für die Raumfahrtbranche, erzählt, wie ein kleiner Kniff in der Formulierung einer Stellenanzeige die erwünschten Bewerbungen von Frauen für eine ISS-Mission brachte: Mit dem "Kindheitstraum" braucht man ihnen nicht zu kommen. Sie fühlen sich eher angesprochen, wenn man sie sprachlich in ihren bisherigen, erfolgreichen Jobs abholt.

Der Neurobiologe Gerald Hüther, Vorstand der "Akademie für Potenzialentfaltung", erklärt den Sinn von persönlichen Begabungen und plädiert für mehr Mut bei Führungskräften, heterogene Teams zusammenzustellen. Um die Schattenseiten von Talent geht es im Beitrag des Arztes Christian Dogs, der Manager in psychosomatischen Fragen coacht. Spätestens mit Mitte 40 brennen viele seiner Patienten aus und stehen vor den Trümmern ihres Privatlebens, weil ihre Begabungen nur auf das Berufliche beschränkt waren.

Mit den einschlägigen Vorstellungen davon, welche Informationen über ein Unternehmen für Bewerber interessant sein könnten, räumt Sarah Müller von der Bewertungsplattform Kununu auf: Die drei häufigsten Suchbegriffe auf Kununu lauten "flexible Arbeitszeiten", "Home­office" und "Hunde geduldet". Das Haustier könne somit »der springende Punkt sein, ob ein Unternehmen erfolgreich eine Stelle besetzen kann«, schreibt Müller. Viele Firmen hätten dies noch nicht erkannt. »Die gesuchten Extras stehen in einer ziemlichen Diskrepanz zu dem, was Arbeitgeber bieten.« Der eigene Mitarbeiterparkplatz – ein Klassiker in Ausschreibungen – interessiert demnach nicht mal ein Zehntel der Fachkräfte. Noch weniger Wert wird auf Mitarbeiterevents gelegt.

Schon bis zum Ende des ersten Drittels ist das "HBM"-Heft eine äußerst vielseitige, spannende Lektüre. Im strategischen Teil (der etwas merkwürdig bebildert ist – aber wie will man so ein Thema auch bebildern) geht es um Methoden und Tools aus der Praxis. Jennifer und Gianpiero Petriglieri, Professoren an der französischen Business School Insead, betrachten den "Fluch des Talents": die Tretmühle, in der sich viele Leistungsträger befinden. Nicht selten zerbrechen sie an dem hohen Erwartungsdruck und verlassen ihren Job. Die sogenannten High Potentials sollten Warnzeichen früh erkennen und gegensteuern, so die Experten. Etwa, indem sie Hilfe annehmen, obwohl sie diese nicht für nötig halten. Denn letztlich bestehe die Rolle der Bes­ten nicht darin, "mehr zu leisten als andere, sondern darin, gemeinsam mit anderen mehr zu leisten". Dabei ist es zwingend angeraten, nicht nur die eigenen vermeintlichen Stärken, sondern die ganze Persönlichkeit ins Unternehmen einzubringen – selbst wenn diese Eigenschaften wie Angst, Ungeduld oder große Emotionalität beinhaltet. "Kämpfen Sie nicht gegen die dunklen Quellen Ihrer Begabung an. Lernen Sie, sie zu kanalisieren und zu nutzen", lautet die Empfehlung.

Das Heft schließt mit einer Fallstudie: Der beste Verkäufer eines Autohauses hat seinen Arbeitgeber bei Facebook lächerlich gemacht. Was tun? Drei Experten antworten – mit höchst unterschiedlichen Ergebnissen. Am radikalsten argumentiert Michael Kausch, Geschäftsführer einer Agentur für Social-Media-Marketing: Das Problem liegt nicht in kritischen Angestellten, sondern in fehlenden Social-Media-Richtlinien, die heute für jedes Unternehmen zwingend seien. Der "Mitarbeiter 2.0" sei längst Realität, so Kausch. Arbeitgeber müssten sich damit auseinandersetzen.