Sonntagsfrage an Storyteller Thomas Pyczak

"Was läuft auf den Tonga-Domains, Herr Pyczak?"

27. Januar 2017
von Börsenblatt
Der Autor und Storyteller Thomas Pyczak kennt sich bestens mit den Tonga-Domains der Internet-Piraten aus – und referierte dazu am vergangenen Donnerstag auf der future!publish in Berlin. Für die Sonntagsfrage nimmt er ein illegales Buchportal mit Tonga-Domain unter die Lupe, das sich an deutsche Leser wendet.

Für meinen Vortrag bei der future!publish habe ich mir viele Piraten-Domains angesehen. Die meisten sind Linksammlungen, und die Links führen dann zu anderen Seiten, auf denen das gesuchte Buch downgeloadet werden kann. Das geht immer über Zwischenseiten, meist mit Captachas, so dass Computer diese Wege nicht automatisch verfolgen können. Spuren verwischen ist ist dieser Welt oberstes Gebot. Die Seiten sind vom Charakter her schmuddelig, Viren lauern dort oder Abofallen, keine schönen Orte. Was Tonga auszeichnet, ist seine Verschwiegenheit. Wenn ich dort eine Domain habe, ist das ein prima Versteck.


Spiegel-Bestseller sind auf dem Schwarzmarkt gut vertreten

Bemerkenswert fand ich vor allem ein Angebot: lul.to. Es ist, nach eigenen Angaben, das größte deutsche Piraten-Portal für Leser und Lauscher. Tatsächlich ist es eine E-Commerce-Seite. Ein Shop. Sogar ein recht gut gemachter. Dort werden gestohlene E-Books und Audiobooks für Centbeträge verkauft. Mein Roman „Ende der Welt“ kostet etwa 15 Cent. Gegenüber 10 Euro als Taschenbuch oder 2,99 Euro als E-Book. Kindle unlimited-Kunden lesen gratis. Finde ich fair. Für Piraten offenbar nicht fair genug. Selbstverständlich steht die Seite auch Lesern aus Deutschland offen. Sie können sich dort problemlos bedienen. Die Auswahl ist riesig. Vor allem die Spiegel-Bestsellerliste ist auf dem Schwarzmarkt gut vertreten. Etliche Links führen zu diesen Titeln. 

Illegale Portale sind für viele eine Geschäftsmodell

Wer damit Geld verdient? In erster Linie die Portalbetreiber. Werbeanbieter. Uploader von geknackten E-Books. Anbieter von VPN- oder Usenet-Zugängen. Paypal und Kreditkartenunternehmen. Natürlich schweigen alle über die Einnahmen. Aber ich habe eine Simulation von Einnahmen und Ausgaben für lul.to gemacht und dabei kam raus, dass die Betreiber sich hohe Managergehälter auszahlen können. Die Betreiber sagen natürlich, sie brauchen das Geld, damit sie die Seite am Laufen halten können. Die Technik. Die Bücher. Jaja.

Tonga-Seiten bekämpfen

Gegenmaßnahmen von Autoren, Hackern, Urheberrechtsexperten oder Anwälten sollte meiner Meinung nach ein Dreiklang aus Aufklärung, Innovation und Expertenwissen sein.

Aufklärung: Die Verlage sollten gemeinsam mit Politik und Medien der breiten Masse erklären, wo Teilen aufhört und Kriminalität anfängt. Ein langer Weg, ein wenig wie in der Umweltpolitik.

Innovation: Mit Fokus auf ehrliche Leser. Alles tun, dass die glücklich sind. Dazu gehört sicherlich auch ein Nachdenken über Flatrates. Ein Angebot wie Scribd finde ich spannend. 9,99 Dollar für 3 E-Books und ein Audiobook pro Monat. Dazu Zugriff auf Magazine, Papers, Noten … und die Möglichkeit, selbst Dokumente oder Bücher umzuladen. Zum Thema Innovation gehört für mich auch Piratengeist. Derzeit sind die Verlage noch in der komfortablen Situation, dass – Fachverlage ausgenommen - der Umsatzanteil von E-Books nur durchschnittlich 4,5 Prozent beträgt (Zahl von 2015). Es ist ein Printmarkt. Jetzt ist die Zeit, sich selbst anzugreifen. Lasst uns Piraten sein, das war das Motto des MacIntosh-Teams unter Steve Jobs. Piraten nicht im Sinne von Dieben, sondern im Sinne eines Start-up-Spirits.

Experten: Ich glaube fest daran, dass du erst die richtigen Leute an Bord holen musst, bevor du dir genau überlegst, was du tust. Erst wer, dann was. Abwerben bei Google, Amazon, Facebook, Start-ups akquirieren. Piraten bekämpfen kann ein Agendapunkt sein, aber sicher nicht der Wichtigste. Kunden glücklich machen, darum geht es doch.

Storytelling-Webseite von Thomas Pyczak: www.strategisches-storytelling.de