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Der 99er-Wahn (ohne Sinn)

6. Juli 2015
von Börsenblatt
Runde Preise sind ehrlicher, praktischer und übersichtlicher, meint der Hamburger Buchhändler Torsten Lager. Und fordert von den Verlagen eine Abkehr von den 99er-Preisen: "Hört auf mit diesem Blödsinn!" Warum er aber bei Pixi-Büchern eine Ausnahme machen würde, erklärt er am Ende seines Briefes an die "lieben Verleger".

Ich bin es leid. Jeden Tag darf ich mir sehr oft von meinen Kunden anhören, was für alberne Summen ich nun von ihnen verlange. Und da geht es nicht um die Höhe (Klagen über angeblich hohe Buchpreise sind eher selten), sondern um das, was ich nach dem Komma anzusagen habe. Und die Kunden haben ja Recht. In diesen Augenblicken (nur in diesen) hadere ich innerlich mit der Preisbindung. 

Liebe Verleger, bitte hört auf mit diesem Blödsinn! Ihr zwingt mich, mich mehrmals am Tag lächerlich zu machen. Denkende Menschen durchschauen das Spiel. Und unter Buchkunden gibt es auffällig viele denkende Menschen.

Ich habe bisher noch kein gutes Argument für die jetzt so beliebten 99er-Preise gehört. Dafür immer wieder zwei schlechte:

Wir sollten uns doch freuen, dass wir nun 4 Cent mehr in der Kasse hätten, von denen knapp 2 Cent auch bei uns blieben. Stimmt – aber wenn wir auf runde Preise gehen, haben wir noch einen Cent mehr zu verteilen. Das Argument sticht also gar nicht für 99er-Preise, sondern gegen 95er. Eine solche Diskussion führt aber gar keiner ernsthaft. Die magischen Preisschwellen. Erfahrungen hätten gezeigt, dass die Absatzzahlen spürbar zurückgingen, wenn die Preisschwelle von z. B. € 10,- überschritten würde. Niemand hat mir hier bislang eine brauchbare Untersuchung gezeigt. Ich bezweifle sehr, dass es belastbare Zahlen gibt, die belegen, dass die Verkäufe bei einer Anhebung des Preises auf genau € 10,- messbar zurückgehen. Außerdem: Um welche Preisschwellen geht es bei Preisen wie € 22,99, € 17,99 und € 12,49? Diese Preisstruktur sei nun einmal durch Apple (iTunes) normal geworden. Dieses Argument ist das schlechteste. Was für elektronische Bücher gilt, muss für gedruckte noch lange nicht stimmen. Und außerdem: Eine ganze Branche, in der aufgrund eines Preisbindungsgesetzes der Hersteller alleine den Preis bestimmen kann, lässt sich durch eine (zugegeben mächtige) amerikanische Firma ihre Preisstruktur diktieren? Für Produkte, die diese Firma gar nicht anbietet? (Mir sei hier der Kalauer gestattet, dass wir beim gedruckten Buch wohl eher über Birnen sprechen, nicht über Äpfel, und so viel weiß ja wohl noch jeder aus dem Matheunterricht, dass man diese nicht vergleichen darf.)

Ich glaube, ich habe ein paar gute Argumente für runde Preise:

Diese Preise sind ehrlicher. Wir sind darum überzeugender. Wir können uns mit unseren Kunden über interessante Dinge unterhalten. Es ist praktischer. Wir brauchen weniger Münzen. (Liebe Verleger, wissen Sie eigentlich, dass die meisten Banken Gebühren berechnen, wenn wir Münzrollen holen oder abgeben wollen? 20 Cent für eine Rolle 1 Cent-Stücke, die 50 Cent wert ist! Ja, so ist das analoge Leben.) Es ist übersichtlicher. Krumme Beträge sind eine Fehlerquelle, z. B. bei der Eingabe des Betrags für die Kartenzahlung. (Ja, tatsächlich, das machen viele noch per Hand!) Beim Kauf ist auch der letzte Eindruck des Kunden wichtig. Er soll zufrieden meinen Laden verlassen. Wenn der letzte Eindruck, den er aus meinem Geschäft mitnimmt, ist, dass wir alberne Preise verlangen, dann ist das nicht gut. Ich bin sicher, dass es seiner Lust wiederzukommen abträglich ist.

Also, bitte, lasst den Quatsch. Stehlt mir nicht meine Zeit, weil ich endlose Listen durcharbeiten muss, um meine Bücher mit einem Aufkleber um 4 Cent teurer zu machen (was, nebenbei gesagt, toll aussieht und Kunden wirklich anspricht). Mein Vorschlag: € 1,-, € 2,50, und dann in 2,50er-Schritten, ab € 40,- in 5ern. Das ist ehrlich, praktisch und übersichtlich. Das passt irgendwie besser zu den Argumenten für eine Preisbindung als Apple und Küchenpsychologie. Ich glaube auch, dass es hilft, unsere Produkte als wertig und nicht durchschnittlich darzustellen.

Verzeihen Sie meinen Zynismus. Es ist die reine Verzweiflung.

Mit freundlichen Grüßen aus dem Einzelhandel,

Ihr Torsten Lager

P.S. Bei Pixis bin ich bereit, mit mir handeln zu lassen. Carlsen schreibt, dass diese ja oft von Kindern bezahlt werden und diese sich so freuen, wenn sie sogar noch etwas zurückbekommen. Das stimmt. Aber nur für Kinder, die Pixis kaufen. Alle anderen Kunden möchten nicht wie Kinder behandelt werden.