Aus Sicht des Börsenvereins griffe eine solche Lösung zu kurz, weil sie nur auf ein bestimmtes Bundle-Modell (E-Book-Download ohne Aufpreis) angewendet werden könnte. Für alle anderen Modelle (Bundle mit Aufpreis, Fachzeitschrift mit Datenbankzugang) käme die „Null“-Variante nicht in Betracht.
Eine andere Möglichkeit, der Buchbranche entgegenzukommen, sieht das Bundesfinanzministerium derzeit nicht. Man könne allenfalls die am 1. Juli ausgelaufene Nichtbeanstandungsfrist bei Nichtanwendung der neuen Bundle-Steuerregeln um ein weiteres halbes Jahr verlängern – allerdings nur mit Zustimmung der Länderfinanzministerien. Bei einer weiteren eigenständigen Verlängerung dieser Frist drohten den Verantwortlichen im Bundesfinanzministerium angeblich rechtliche Konsequenzen.
Dieser Einschätzung schließt sich der Börsenverein nicht an: Man könne Nichtbeanstandungsfristen verlängern, wenn dies sachlich gerechtfertigt sei. Bei vorfristiger Durchsetzung der neuen Rechtslage drohten den Unternehmen der Buchbranche jedenfalls erhebliche Schäden.
Einen Ausweg aus dem Bundle-Dilemma könnte vielleicht der Rechtsweg bieten. Das Bundesfinanzministerium regte an, beim Bundesfinanzhof ein Musterverfahren – einen sogenannten „Gentleman-Prozess“ – in Absprache mit einem Finanzamt und mit Unterstützung des Ministeriums anzustrengen, um die beanstandete Steuerregelung zu prüfen. Das Gericht müsste dann klären, ob das BMF richtig wertet, wenn es E-Books grundsätzlich als selbständige Leistung einordnet. Diese Wertung liegt der Argumentation des BMF zugrunde, der zufolge Buch und E-Book eines Bundles separat zu besteuern sind. In einem solchen Verfahren könnte etwa auch erreicht werden, dass die Vollziehung eines Steuerbescheids ausgesetzt wird.
Angesichts des geringen steuerrechtlichen Spielraums bleibe dem Börsenverein die Option, so ein weiterer Hinweis des Bundesfinanzministeriums, politische Überzeugungsarbeit zu leisten: Dies könne auf EU-Ebene geschehen, bei der Generaldirektion Steuern – oder auf Länderebene. Wenn es dem Börsenverein gelinge, eine deutliche Mehrheit der Länderfinanzministerien von seiner Lesart der europäischen Regelungen zu überzeugen, wären Änderungen an der getroffenen Bundle-Regelung noch möglich.
Der Börsenverein will sich mit dem mageren Ergebnis des Krisengesprächs nicht abfinden. Ein „Brandbrief“ des Vorstands an die Bundesregierung sei in Vorbereitung.