Streiks bei Amazon gehen erstmals mehrtägig weiter

„Mächtig Druck auf dem Kessel“

17. Juni 2013
von Börsenblatt
In der Auseinandersetzung um einen Tarifvertrag beim Internet-Versandhändler Amazon zieht ver.di die Daumenschrauben an: Nach mehreren Warnstreiks und ganztägigen Streiks hat die Frühschicht an den Standorten Leipzig und Bad Hersfeld die Arbeit für einen zweitägigen Streik niedergelegt.

Die ver.di-Verhandlungsführer Bernhard Schiederig für Hessen und Jörg Lauenroth-Mago für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind laut Mitteilung der Arbeitnehmerorganisation mit dem bisherigen Verlauf der Streiks „mehr als zufrieden". „Da ist mächtig Druck auf dem Kessel. Bei jeder Aktion, die wir machen, beteiligen sich mehr Leute", so Schiederig. Es werde endlich Zeit, dass Amazon einlenke und sich zur Aufnahme von Verhandlungen bereit zeige. „Wir wollen Tarifverhandlungen führen, an deren Ende ganz klar ein Anerkennungstarifvertrag stehen muss", so der Gewerkschaftsführer von ver.di Hessen. Amazon lehnt genau das aber bislang weiterhin kategorisch ab.

Der Kampf für einen Tarifvertrag bei Amazon findet deutschlandweit mediale Beachtung – Grund dafür sind auch die folgenreiche HR-Berichterstattung über die Situation der Leiharbeiter und die anstehende Bundestagswahl im Herbst. Gewerkschaftsnahe Politiker, wie der SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Peer Steinbrück haben sich laut ver.di „mit den Streikenden solidarisch gezeigt." Auch Politikerinnen und Politiker der Linken, der SPD und von Bündnis 90/die Grünen waren vor Ort und im Gespräch mit den Beschäftigten.

Persönliche Unterstützung bei den anstehenden Streiktagen hat laut Gewerkschaft auch der ver.di Bundesvorstand zugesagt. Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske will am heutigen Montag die Streikenden Amazon-Beschäftigten in Leipzig und am Dienstag in Bad Hersfeld besuchen. Stefanie Nutzenberger, im Bundesvorstand für den Handel zuständig, will heute die Streikenden in Bad Hersfeld und am Dienstag die Kollegen in Leipzig unterstützen, teilt ver.di mit.

Thomas Schneider, der am Standort Leipzig die Streiks mitorganisiert, erklärt auf Nachfrage von boersenblatt.net, dass sich die Zahl der Streikenden alleine in Leipzig auf 650 (von rund 2.000) Mitarbeitern erhöht habe. In diversen Onlineforen war indes in den vergangenen Tagen zu lesen, die Amazon-Mitarbeiter stünden keineswegs einheitlich hinter den ver.di-Forderungen. „Von Mal zu Mal stehen mehr Mitarbeiter hier draußen. Sogar Abteilungsleiter und Teile des Managements sind unter den neuen Gesichtern", weist Schneider diese Aussagen zurück. Schwierig sei es allerdings für die Kollegen mit befristetem Arbeitsvertrag sich am Arbeitskampf zu beteiligen, sonst wäre die Beteiligung noch höher.

Ver.di will den Arbeitskampf weiterführen, bis Amazon den Tarifvertrag akzeptiert.

Erfolge mit Arbeitskämpfen hat die Belegschaft bereits bei vergangenen Lohnverhandlungen, der Einführung von Betriebsräten und dem Errichten dezentraler Pausenräume erzielt.

In Ansprachen an die Belegschaft hätten die Standortleiter bereits eingestanden, dass der Arbeitskampf zu Verzögerungen beim Versand der Waren aus den Logistikzentren und erhöhtem Druck bei den Arbeitsabläufen führe. Verzögerungen beim Versand wollen die streikenden neben Arbeitsniederlegungen auch mit „feinerer Klinge" erreichen, kündigt Schneider an.