Suhrkamp-Insolvenz: Entscheidung über Eilantrag der Medienholding

Landgericht Frankfurt: Familienstiftung darf nicht für Sanierungsplan stimmen

10. September 2013
von Börsenblatt
Die 9. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt hat der Unseld Familienstiftung heute auf dem Wege der einstweiligen Verfügung untersagt, in der Gläubigerversammlung des Suhrkamp Verlags für die Annahme des Insolvenzplans zu stimmen. Der Vertreter der Familienstiftung, Rechtsanwalt Stefan Richter, kündigte noch im Sitzungssaal an, dass man gegen diese Entscheidung in Berufung gehen werde.

Wie Richterin Claudia Müller-Eising bei der mündlichen Urteilsbegründung ausführte, hätte der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch die Suhrkamp KG eines Gesellschafterbeschlusses bedurft. Dies folge aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht. Die Familienstiftung dürfe ihre beherrschende gesellschaftsrechtliche Stellung über den Suhrkamp Verlag nicht dazu "ausnutzen, um sich unter dem Schutz des Insolvenzverfahrens von den gesellschaftsrechtlichen Bindungen mit der Medienholding zu lösen und die Medienholding in ihrer Stellung als Anteilseignerin zu entrechten".

Die gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten der Gesellschafter untereinander, so Müller-Eising weiter, seien durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 6. August nicht beendet. Andernfalls würde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu einem "Reinwaschen" einer vor Eröffnung liegenden schweren Pflichtverletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht führen. Die 9. Kammer für Handelssachen orientierte sich in ihrer heutigen Entscheidung an dem Urteil vom 13. August, das die Familienstiftung zur Stundung ihrer Gewinnforderungen verurteilt und Verlagschefin Ulla Unseld-Berkéwicz "treuwidriges Verhalten" bescheinigt hatte.

Hans Barlach, der bei Verkündung der EV anwesend war, sieht die Haltung der Medienholding durch die einstweilige Verfügung bestätigt: "Wir werden alles unternehmen, um die Insolvenzgründe zu beseitigen." Die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt werde vom Insolvenzgericht in Berlin (Amtsgericht Charlottenburg) sicherlich gewürdigt.

Der Prozessvertreter der Familienstiftung, der Rechtsanwalt Stefan Richter (Kanzlei Hengeler Müller) hält das (noch nicht rechtskräftige) Urteil für falsch: "Das Gericht geht bedauerlicherweise – wie bereits im Urteil vom 13. August – von einer sehr einseitig geprägten Würdigung des komplexen Sachverhalts aus. Die Familienstiftung wird in die Berufung gehen. Sie rechnet sich gute Erfolgschancen aus, zumal ein Termin für die Abstimmung in der Gläubigerversammlung noch nicht feststeht."

Verlagssprecherin Tanja Postpischil erklärte: "Auch im Falle eines Stimmverbots für die Familienstiftung sehen wir die Planzustimmung nicht als gefährdet an, da wir davon ausgehen, dass in der Mehrheit der Gruppen eine Zustimmung vorliegen wird." Man sei weiterhin zuversichtlich, den Insolvenzplan "wie vorgesehen umsetzen zu können".

Der Insolvenzplan gilt nach den Regelungen der Insolvenzordnung als angenommen, wenn alle in der Gläubigerversammlung vertretenen Parteien (Gläubiger, Vertreter des Pensionssicherungsvereins, Gesellschafter) mehrheitlich für den Plan stimmen. Frank Kebekus, Generalbevollmächtigter von Suhrkamp, sieht aber auch für den Fall, dass die Familienstiftung ihr Stimmrecht nicht ausüben darf, Erfolgschancen: "Das Obstruktionsverbot gemäß Paragraf 245 Insolvenzordnung schränkt das Vetorecht einzelner Gläubiger ein, so dass  – bei Vorliegen der Voraussetzungen des Paragrafen 245 Insolvenzordnung – der Insolvenzplan auch dann bestätigt werden kann, wenn eine Gläubigergruppe nicht für den Plan gestimmt hat."

Dieses "Obstruktionsverbot" könnte allerdings leerlaufen, wenn die Medienholding nachwiese, dass sie bei Annahme des Plans schlechter gestellt wäre (Paragraf 245 Abs. 1, Ziffer 1 InsO).

Bisher war in den Medien von einem Termin der Gläubigerversammlung im Oktober (eventuell auch erst Ende Oktober) die Rede. Es ist nicht auszuschließen, dass bis dahin noch eine Berufungsverhandlung stattfindet. Die Familienstiftung hat nun einen Monat Zeit, gegen die EV Berufung einzulegen. Ob die Familienstiftung dann bei der Gläubigerversammlung abstimmen darf oder nicht, ist also noch offen.

Die einstweilige Verfügung des LG Frankfurt sorgt aber schon jetzt für Aufmerksamkeit, weil hier gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzungen unmittelbar in den Gang eines Insolvenzverfahrens eingreifen.