Suhrkamp-Streit: Verhandlung vom 25. September am Landgericht Frankfurt

Schwieriger Prozess der Wahrheitsfindung

25. September 2013
von Börsenblatt
Die mündliche Verhandlung am Landgericht Frankfurt zum Suhrkamp-Gesellschafterstreit zwischen der Unseld Familienstiftung und der Medienholding von Hans Barlach bleibt vorerst ohne Ergebnis. Eine Entscheidung soll aller Voraussicht nach am 13. November um 9 Uhr verkündet werden. Wie sie ausfällt und ob sie dann noch eine Rechtswirkung entfaltet, ist ungewiss – denn möglicherweise könnten bis dahin durch den Abschluss des Insolvenzverfahrens in Berlin Fakten geschaffen worden sein.

Wenn die Gläubigerversammlung Ende Oktober mehrheitlich beschließen sollte, den Insolvenzplan anzunehmen, wäre das Frankfurter Verfahren womöglich gegenstandslos: Denn die Gesellschafter, die sich hier streiten, gäbe es dann nicht mehr. An ihre Stelle träten die Hauptaktionäre Unseld Familienstiftung, Medienholding und – womöglich – die SFO GmbH der Familie Ströher. Jörn Wöbke von der Kanzlei Gleiss Lutz, die den Suhrkamp Verlag beim Insolvenzverfahren begleitet, hält diesen Ausgang für den wahrscheinlichsten. Ob er mit seiner Auffassung Recht behält, steht auf einem anderen Blatt.

Wird also dieser dramatische Gesellschafterstreit mit seinen teilweise absurden Verästelungen ausgehen wie das Hornberger Schießen? Sich gleichsam in Luft auflösen? Hat Hans Barlach schon verloren? Oder sind andere Szenarien vorstellbar?

Für Norbert Höhne, den Vorsitzenden Richter der 3. Kammer für Handelssachen, geht es ungeachtet der anderen Verfahren darum, eine Entscheidung zu treffen und mit ihr die Kernfragen des Verfahrens zu beantworten: Sind die Vorwürfe, die die Familienstiftung gegenüber Hans Barlach erhebt, zutreffend? Hat Barlachs Medienholding AG systematisch die Arbeit des Verlags blockiert und deshalb die Gesellschafterpflichten verletzt? Sind die Argumente der Widerklage stichhaltig? Wird der Minderheitsgesellschafter Medienholding notorisch in seinen Gesellschafterrechten beschnitten? Muss am Ende einer der beiden Gesellschafter ausgeschlossen werden, oder müssen es gar beide?

Die Kammer steht vor keiner leichten Aufgabe: Sie muss sich durch Berge von Schriftsätzen arbeiten (die mehrfach kopiert in zwei Kisten auf der Richtertheke standen und im Gerichtssaal an die Verfahrensbeteiligten verteilt wurden). Sie muss jedes Detail und dessen spiegelbildliche Darstellung durch die Gegenseite würdigen, um der Wahrheit näher zu kommen. "Was bleibt übrig von den Vorwürfen?" und "Wie werden wir der Gemengelage gerecht?" sind Fragen, die Höhne bei seiner Prüfung leiten.

Welche mittlere Verlaufslinie, die den vorgebrachten Tatsachenbehauptungen der Parteien einigermaßen gerecht werden könnte, dabei am Ende herauskommt, ist nicht vorherzusagen. Ob es eine Rolle spielt, dass Suhrkamp eine "familiengeprägte Historie" hat, ist eine weitere wichtige Frage, auf die die Kammer eine Antwort suchen wird

Vielleicht werden am Ende – angesichts der Tragweite, um die es bei einem Verlag wie Suhrkamp geht, und angesichts des Insolvenzverfahrens – die wechselseitigen Vorwürfe verblassen. Eine implizite Mahnung, dass sich die Kontrahenten wieder annähern sollten, schwang in Höhnes nachdenklichen Reflexionen mit, die er zu Beginn der Verhandlung äußerte: Es seien "keinerlei Anzeichen dafür erkennbar, dass die Protagonisten Geschmack aneinander finden". Stattdessen werde weiter "an der Eskalationsschraube gedreht". Zudem werde das Gericht in seiner Arbeit durch die Beteiligten "höchst eingeschränkt" unterstützt. Das gelte beispielsweise für verspätet eingereichte Schriftsätze.

Was bis zur Urteilsverkündung am 13. November noch passiert, wissen nur die zuständigen Gerichte. Und es ist auch nicht abzusehen, ob Hans Barlachs Versuche, die Zustimmung zum Insolvenzplan zu verhindern, erfolgreich sein werden. Das Oberlandesgericht in Frankfurt muss zunächst die Berufung gegen ein Urteil der 9. Kammer für Handelssachen des Landgerichts prüfen. Diese hatte unter Vorsitz von Richterin Claudia Müller-Eising entschieden, die Familienstiftung bei der Abstimmung über den Insolvenzplan mit einem Stimmverbot zu belegen. Ob die Familienstiftung auf der Gläubigerversammlung von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen darf, ist also nicht rechtskräftig geklärt. Nach Auskunft des OLG liegen dem zuständigen Berichterstatter zwar die Akten vor, ein Prozesstermin sei aber noch nicht angesetzt worden.

Auch über die Verfassungsbeschwerde der Medienholding gegen das Insolvenzverfahren und gegen die Insolvenzordnung ist noch nicht entschieden worden. Wegen der Komplexität des Verfahrens ist vermutlich erst zu einem späteren Zeitpunkt mit der Eröffnung eines Verfahrens zu rechnen. Auch eine Abweisung ist nicht auszuschließen. Doch selbst wenn Karlsruhe eines Tages – lange nach Umwandlung des Suhrkamp Verlags in eine AG – zu der Erkenntnis kommen sollte, dass die Eröffnung des Insovenzverfahrens durch das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg rechtsmissbräuchlich oder die Insolvenzordnung nicht verfassungsgemäß war, dann könnte auch das höchste deutsche Gericht die geschaffenen Fakten nicht einfach beseitigen. Es müsste bei einer Rückabwicklung etwa in Eigentumsrechte Dritter eingreifen, wenn diese inzwischen Anteile der AG erworben haben. Vielleicht könnte es am Ende die Insolvenzordnung (und damit verbunden das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen – ESUG) in Teilen verwerfen und Leitsätze für künftige Fälle formulieren. Eine befriedigende Lösung für die Beteiligten, vor allem für die Medienholding, wäre dies allerdings nicht.