Brasilien im Schatten der Wirtschaftskrise

Brasilien ist nicht das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, auch wenn es angesichts der Millioneninvestitionen von Bertelsmann & Co. manchmal so aussieht. Insgesamt bewegt sich der Buchmarkt des Landes eher im Rückwärtsgang, wie eine Analyse der Frankfurter Buchmesse im Vorfeld ihrer Konferenz "The Markets 2016" zeigt. Das Fazit: Die anhaltende Wirtschaftskrise zieht den Markt weiter in Mitleidenschaft.

3.095 Buchhandlungen - 1,2 Bücher pro Jahr

Laut Frankfurter Buchmesse, die sich dabei auf Angaben des Instituts für Öffentliche Meinung und Statistik (IBOPE) stützt, lesen Brasilianer 4,7 Bücher pro Jahr und kaufen alle zwölf Monate im Schnitt 1,2 Bücher. Kinderbuchverlegerin Miriam Gabbai (Callis Editora) fordert deshalb: "Wir müssen mehr Leser erreichen, auch in den besser gebildeten Schichten der Bevölkerung."

Eine Lösung sieht Gabbai, die bei der Konferenz in Frankfurt sprechen wird, im Ausbau der Vertriebsstrukturen: So gebe es im Land lediglich 3.095 Buchhandlungen; selbst die zwölf Millionen Einwohner im Stadtgebiet von São Paulo müssten mit 335 Sortimenten auskommen, das entspricht einer Buchhandlung für rund 36.000 Einwohner - die UNESCO empfehle ein Verhältnis von 1 zu 10.000.

Weitere Daten zum brasilianischen Buchmarkt:

• Der Gesamtumsatz sinkt weiter – 2014 lag er fünf Prozent unter dem Vorjahr, 2015 kam die Branche auf ein Minus von knapp 3,3 Prozent - und das trotz steigender Buchpreise (über alle Marktsegmente hinweg, 2015: plus 8 bis 11 Prozent).

• Gut ein Viertel des Gesamtumsatzes von 1,49 Milliarden Euro entfällt auf den Staat, der in Brasilien traditionell Hauptabnehmer der nationalen Buchproduktion ist – meist geht es um Lehrmaterial, das für Bildungsoffensiven und -programme gebraucht wird.

• Auch die Zahl der Novitäten sinkt: 2015 im Vergleich zum Vorjahr um 10,4 Prozent (2015: 17.282 Titel; 2014:19.285); den stärksten Einbruch mit einem Minus von über 20 Prozent erlebte das Segment der Allgemeinen Titel.

• Der Absatz rutschte gegenüber 2014 um fast elf Prozent in den Keller (2015, absolut: 389.274.495 verkaufte Exemplare).

• Klassische Buchhandlungen und der Zwischenbuchhandel setzen am meisten um; sie kommen auf einen gemeinsamen Marktanteil von fast 70 Prozent.

• Platz 3 mit knapp zehn Prozent Marktanteil belegt der Buchmesse zufolge der Verkauf von Büchern an der Haustür durch sogenannte "mobile Buchhandlungen", die unterm Strich pro Jahr fast 25 Millionen Bücher verkaufen.  

• Dass auch das Lizenzgeschäft rückläufig ist, dürfte kaum überraschen: 2010 rangierte Brasilien nach Zählung der Buchmesse noch vor den USA mit 157 Abschlüssen (USA: 148) als wichtigstes Land für deutsche Verlage auf dem amerikanischen Kontinent. Dieses Verhältnis hat sich in den letzten Jahren zugunsten der USA deutlich gedreht: 2015 fiel Brasilien im Ranking der wichtigsten Handelspartner deutscher Verlage auf dem amerikanischen Kontinent mit 124 Lizenzvergaben zurück hinter die USA (215).

• Das digitale Geschäft bildet angesichts der Turbulenzen mit Printtiteln einen Lichtblick, zumindest hinsichtlich der Zuwachsraten. 2014 schossen die Umsätze 35,5 Prozent in die Höhe, 2015 legten sie erneut zweistellig zu – um 20 Prozent. Unterm Strich bleibt die Lage für digitale Inhalte aber weiter überschaubar (Gesamtumsatz 2015: 5,8 Millionen Euro).   

Brasilien im Überblick (2015)

Umsatz: 1,491 Mrd. Euro
Verlage: 500
Druckauflage gesamt: 446.848.571 Exemplare
Verkaufte Exemplare: 389.274.495
Titel/Jahr: 52.427
Buchläden: 3.095
Alphabetisierungsrate: 86 Prozent

Quellen, die die Frankfurter Buchmesse für ihre Analyse genutzt hat: Produção e Vendas do Setor Editorial Brasileiro (Camara Brasileiro do Livor); White Paper: 7 Dynamic Publishing Markets in 2016, Hannah Johnson and Erin L. Cox, Publishing Perspectives for the Frankfurt Book Fair’s 2016 THE MARKETS: GLOBAL PUBLISHING SUMMIT

In unserer Serie zu "The Markets" bisher erschienen: 

Großbritannien
Philippinen
Polen
Spanien
Vereinigte Arabische Emirate