Thomas Brylla über gesunde Ernährung, Naturkosmetik und Fitness

"Der Wellnessmarkt ist raus aus der Nische"

28. Juni 2013
von Börsenblatt
Die Wellnesswelle rollt und rollt und rollt - der Markt für Wohlfühlangebote nähert sich sukzessive der 80-Milliarden-Euro-Grenze. Unter welchen Bedingungen das Thema auch dem Buchhandel nützen könnte, ohne in den Ruf zu geraten, nur Wellnepp zu betreiben? Antworten von Thomas Brylla, Wellness-Eperte bei IFH Retail Consultants in Köln.

Herr Brylla, Sie sagen, dass der Wellnessmarkt erhebliches Wachstumspotenzial birgt. Woraus setzt sich dieser Markt zusammen?

Brylla: Wir haben grundsätzlich vier Teilmärkte definiert: Ernährung, Gesundheit, Schönheit und Fitness. Diese setzten sich jeweils aus einem Markt der ersten Generation und einem Markt der zweiten Generation zusammen. Der Erste blickt auf eine lange Entwicklung zurück und konnte insbesondere in den 90er Jahren hohe Wachstumsimpulse generieren. So zählen beispielsweise OTC-Produkte, Diät- und Reformwaren und traditionelle Fitness-Studios zu den Produkten der ersten Generation. Produkte und Dienstleistungen der zweiten Generation ergänzen den Wellnessmarkt um solche, die als Innovationen zu bezeichnen sind oder die aus ihrem Nischendasein in einen Massenmarkt überführt wurden. Der anhaltende Trend zu Regionalität oder Naturkosmetik dienen in diesem Zusammenhang als Beispiele. Vormals Nischenprodukte realisieren heutzutage enorme Marktanteile

Welche Veränderungen stellen Sie in diesen Sparten fest?

Brylla: Im Markt der zweiten Generation gibt es enorme Wachstumsraten. Im Bereich Gesundheit nimmt zum Beispiel, auch bedingt durch die demografische Entwicklung, die Prävention immer größeren Raum ein. In der Ernährung bleiben Diäten ein großes Thema, allerdings rückt der Fokus weg vom Kurzzeiteffekt, hin zu einer nachhaltigen, langfristigen Ernährungsumstellung. Dazu werden Coachings und erklärende Komponenten immer wichtiger. Im Bereich Schönheit hat die Naturkosmetik ein riesiges Entwicklungspotenzial.

Lassen sich daraus auch übergreifende Trends erkennen?

Brylla: Medical Wellness rückt beispielsweise immer mehr in den Vordergrund. Dabei geht es um eine Kombination aus medizinischer Vorsorge plus Wohlfühlfaktor. Hier spielen auch Wellness-Urlaube mit hinein, deren Anteil auf dem Reisemarkt deutlich zugenommen hat. Auch Speed Wellness ist ein Trend: Effektive Trainingspläne, die berücksichtigen, dass die Zeit allgemein knapp ist und fürs Training nicht viel davon zur Verfügung steht.

Wen haben Sie als Zielgruppen ausgemacht?

Brylla: Wellness ist für alle Altersgruppen relevant. So nehmen die Interessierten in der Gruppe 70+ stark zu, gleichzeitig suchen viele junge Menschen einen Ausgleich zum Stress in Beruf und Alltag. Sie wollen sich etwas Gutes tun.

Was ist wichtig, damit sich dieser Bereich weiterhin erfolgreich entwickeln kann?

Brylla: Da der Begriff „Wellness“ nicht geschützt ist, muss man aufpassen, dass das Angebot, das sich mit dem Label schmückt, sich nicht als „Wellnepp“ entpuppt. Die Kunden fordern hier zu Recht Transparenz und Authentizität.

Über welche Distributionswege läuft der Wellness-Markt?

Brylla: Den überwiegenden Teil des Umsatzes, nämlich drei Viertel, erwirtschaften nach wie vor traditionelle Supermärkte und Discounter, Drogeriemärkte und Apotheken. Der Lebensmitteleinzelhandel profitiert von der Zeitknappheit ihrer Kunden – Verbraucher lieben das „One Stop Shopping“, bei dem sie alles, was sie brauchen, in einem Laden bekommen.  Drogeriemärkte vermitteln einen gewissen Wohlfühlfaktor beim Einkauf und konnten daher in der Vergangenheit ebenfalls hohe Wachstumsraten verzeichnen.

Welche Möglichkeiten sehen Sie für den Buchhandel, vom anhaltenden Wellness-Trend zu profitieren

Brylla: Die Kunden sind interessiert und offen, sie suchen nach Erklärungen und Anleitung. Die Chance liegt deshalb in fundierter Literatur. Ein ganz wichtiger Faktor ist die Beratung: Personal, das kompetent berät und Orientierung im Dschungel vieler neuer Begriffe bietet. Ein Teil-Expertenwissen auf der Seite des Buchhändlers - über eine Zusatzqualifikation oder eigene Erfahrung erworben – schafft beim Kunden Vertrauen.

Wie sehen Sie die Ausweitung des Angebots im Buchhandel in das Nonbook-Sortiment?

Brylla: Ich sehe das Potenzial ganz klar im Fach- und Sachbuch. Der Buchhandel sollte seine Kernkompetenzen betonen und stärken, anstatt sein Angebot zu verwässern. Beispiel Naturkosmetik: Die Kunden wollen beim Buchhändler keine Gesichtscreme kaufen, sondern profunde, vertrauenswürdige Informationen zum Thema finden. Eine Möglichkeit, beim Kunden verstärkt ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass die Buchhandlung in dem Bereich kompetent ist, sind natürlich auch Veranstaltungen wie Vorträge oder Mitmachaktionen.

 

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