Torsten Woywod über seine Weltreise durch den Buchhandel

Das große Staunen

17. Januar 2017
von Börsenblatt

Torsten Woywod hat die Welt durchreist – und dabei voller Neugier und Freude Buchhandlungen besucht. Zurückgekommen ist er mit jeder Menge Anregungen und Inspirationen. Hier teilt er sie.

Wenn man in über 100 Buchhandlungen um die Welt reist, begegnet man unweigerlich zahlreichen Überraschungen, Ideen und Inspirationen … vor allem dann, wenn man selbst Buchhändler ist. Denn auch abseits der Architektur, die in wenigen Fällen bereits das Alleinstellungsmerkmal der Buchhandlungen darstellt, erwarten einen vor allem inhaltlich vielfältige Entdeckungen:

Nehmen wir zum Beispiel Foyles. Die Londoner Buchhandlung sorgt mit einem bloßen Schriftzug dafür, dass sich sämtliche Besucher hier wohlfühlen: "Welcome book lover, you are among friends", steht dort großformatig an der Decke des Eingangsbereichs geschrieben – eine Begrüßung, die nachweislich wirkt und mitten ins Herz zahlreicher Buchliebhaber trifft (der Spruch ist das liebste Fotomotiv der Kunden in der XXL-Buchhandlung über acht Etagen).

Es gibt aber auch Buchhandlungen, die sich selbst ganz bewusst als kulturelle Institution und Marke inszenieren. So verlegen sie beispielsweise Bücher und weitere Produkte (Notizbücher mit dem Logo der Buchhandlung, Postkarten etc.) und versehen neu erworbene Titel ihrer Kunden auf Wunsch mit einem hauseigenen Stempel auf der ersten Innenseite. Dies trifft nicht etwa nur auf bekannte Buchhandlungen wie Shakespeare & Company in Paris zu, sondern es machen sich inzwischen auch kleine, überregional weniger bekannte Buchhandlungen wie Desperate Literature in Madrid zu eigen.

Überhaupt gibt es sehr viele Buchhandlungen, die produzierend tätig sind. Die Buchhandlung Candide Books & Café in Bangkok etwa hat ­einen Buchhandelsführer für die Region verlegt. Außerdem flankiert sie ausgewählte Neuerscheinungen mit besonderen Aktionen: Alle Kunden, die das neue Buch von Murakami (bei meinem Besuch in Bangkok gerade erschienen) vorbestellt hatten, erhielten den Titel zusammen mit einem Lesezeichen sowie einem exklusiven Stoffbeutel, auf den der Satz "Keep calm and read Murakami" sowie das Logo der Buchhandlung gedruckt waren … eine kreative Bestell-Incentivierung!

Die Buchhandlung Books Actually aus Singapur hat hingegen nicht nur über 150 Buchtitel in Eigenregie verlegt (unter anderem den aktuellen Gewinner des nationalen Buchpreises), sondern ganz aktuell auch eine Abo-Box auf den Markt gebracht, mit deren Hilfe sich interessierte Kunden im Drei-Monats-Rhythmus ausgewählte Bücher und Zusatzprodukte des Lieblingsbuchhändlers zusammenstellen und liefern lassen können.

Ganz besonders imponierte mir jedoch Powell's in Portland, Oregon (USA). Das Stammhaus umfasst einen gesamten Häuserblock und wird nicht nur deshalb "City of books" genannt. Wer in dieser Buchhandlung zu Besuch ist, kommt aus dem Staunen überhaupt nicht mehr heraus: Regale im Jugend­bereich präsentieren Bücher mit den "Cutest Couples" des Genres, es gibt ein eigenes Merchandising, das von T-Shirts und Tassen bis hin zum Original-Regen aus Portland reicht, und sogar besondere Buchtipp-Kärtchen: "If you liked … then try …". Mit einem analogen Empfehlungsalgorithmus verknüpft man Bücher innerhalb der Regale miteinander.

Absolutes Highlight: ein Regal und diverse Tischpräsenta­tionen zum Thema "25 books to read before you die". Hierfür haben sich über 500 Powell's-Buchhändler zusammengesetzt und eine Liste mit 25 Titeln erstellt, die unbedingt gelesen werden müssen, Onlinebegleitung inklusive.